Komm mit mir nach Caracas
gewahrt."
Polly zitterte vor Wut, weil sie sich ihm hilflos ausgeliefert fühlte, und warf ihm einen betont verächtlichen Blick zu. „Unter den Umständen wirst du sicher verstehen, dass du mich nur dann dazu bewegen kannst, nach Venezuela zu gehen, und dass du nur dann jemals das Sorgerecht für dein Kind bekommst... wenn du mich heiratest, Raul!"
Eine ganze Weile herrschte spannungsgeladenes Schweigen.
Wie erstarrt stand er da, und in seinen Augen lag ein ungläubiger Ausdruck. „Das ist nicht witzig, Polly. Nimm es zurück."
„Warum? Soll ich dich anlügen und sagen, ich hätte es nicht so gemeint?" Trotzig warf sie den Kopf zurück. „Ich bin ehrlich zu dir. Wenn ich in England bleibe, werde ich mein Leben leben, und du wirst dich nicht einmischen! Ich werde nur als deine Ehefrau nach Venezuela gehen!"
Raul warf ihr einen höhnischen Blick zu. „Das ist nicht dein Ernst."
Polly betrachtete ihn. Sie war so verbittert, dass sie kurz davor war zu explodieren.
„Und ob es das ist. Wir werden ja sehen, ob du auch Opfer bringen kannst, wenn du von mir erwartest, dass ich alles opfere. Und warum? Weil ich im Gegensatz zu dir nicht reich und mächtig bin? Oder weil ich die Mutter deines Kindes bin und du glaubst, eine anständige Mutter hätte nicht das Recht, ihr eigenes Leben zu führen?"
Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. Eine hektische Röte überzog seine Wangen.
Diesmal war das Schweigen äußerst bedrohlich.
Er hatte die Lippen zusammengepresst und die Hände zu Fäusten geballt - ein Zeichen dafür, dass er sich nur mühsam beherrschte. Was Polly jedoch am meisten beunruhigte, war die Tatsache, dass er sie zum ersten Mal hasserfüllt ansah. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, und ihr Zorn wich großer Angst.
„Ich bringe dich in die Klinik zurück", verkündete Raul schließlich kurz angebunden. „Es hat keinen Sinn, dieses Gespräch weiterzuführen."
4. KAPITEL
Zwei Tage später hatte Polly sich immer noch nicht von dem katastrophalen Besuch bei Raul erholt.
Sie wurde jedoch vorübergehend von ihren Problemen abgelenkt, als sie in einer Zeitschrift vom Vormonat las, dass ihre alte Freundin Maxie Kendall geheiratet hatte.
Maxie und ihr Ehemann Angelos Petronides hatten die Hochzeit zuerst geheim gehalten. Mit großem Interesse las Polly den Artikel und betrachtete die Fotos. Sie freute sich für Maxie.
Das letzte Mal hatte sie Maxie bei der Eröffnung von Nancy Leewards Testament gesehen. Ihre Patentante hatte drei Patentöchter gehabt - sie, Polly, Maxie, und Darcy.
Als Teenager waren sie eng befreundet gewesen, doch dann hatten ihre Wege sich getrennt.
Maxie war ein bekanntes Model geworden und hatte bisher in London gelebt.
Darcy hatte eine Tochter bekommen, aber nicht geheiratet, und lebte zurückgezogen in Cornwall. Sie, Polly, hatte versucht, den Kontakt zu beiden aufrechtzuerhalten, allerdings mit wenig Erfolg, was vor allem daran lag, dass Maxie und Darcy sich inzwischen feindlich gesonnen waren.
„Ist sie nicht toll?" meinte eine Schwester bewundernd, als sie Polly über die Schulter blickte und das Foto betrachtete, das Maxie auf dem Laufsteg zeigte. „Ich würde alles dafür geben, so auszusehen."
„Wer würde das nicht?" Ihr amüsiertes Lächeln verschwand, als Polly in den Sinn kam, dass Maxie vermutlich Rauls Traumfrau verkörperte, denn sie war blond, groß und schlank und sehr attraktiv. Sie, Polly, dagegen hatte immer wie eine graue Maus ausgesehen.
Polly schnitt ein Gesicht, weil sie immer noch wütend über sein Angebot war.
Niemals würde sie vergessen, wie demütigend es für sie gewesen war, als Raul ihr auf den Kopf zugesagt hatte, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte.
In Vermont hatte er offenbar gespürt, wie empfänglich sie für seine Reize war, und war bewusst auf Distanz geblieben. Sie hatte tatsächlich geglaubt, er würde es ihr nicht anmerken, weil sie sich genauso kühl gegeben hatte wie er.
Stets hatte sie es ihm überlassen, wann er kam, und sich niemals beklagt, wenn er einmal nicht aufgetaucht war. Doch er hatte sie durchschaut. „Verlangen" hatte er es genannt. Wie ritterlich von ihm, so zu tun, als hätte er sich auch zu ihr hingezogen gefühlt. Natürlich glaubte sie ihm kein Wort!
Nun machte sie es ihm umso mehr zum Vorwurf, dass sie die Situation falsch eingeschätzt hatte. Warum hatte er ihr nicht gesagt, dass es andere Frauen in seinem Leben gab? Er hatte sie bewusst in die Irre geführt, denn wenn er
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