Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
möchte hier nicht aus dem Nähkästchen plaudern. Harry ist ein netter Kerl.«
»Aber es hat nicht funktioniert.«
Seufzend schüttelte Annie den Kopf. »Nein.« Sie nahm einen Schluck Tee und fügte nach einer Weile hinzu: »Harry ist ein bisschen heftig. Ist ziemlich schnell Feuer und Flamme, und ich wollte nichts Ernstes.«
»Heftig?«
Annie strich sich eine lange Haarlocke aus dem Gesicht. »Ja. Sie wissen ja, wie Männer sind.«
Abgesehen von einem pickeligen Fünftklässler, der ständig am Schultor rumgehangen und auf sie gewartet hatte, verfügte Donovan über wenig persönliche Erfahrung mit diesen Dingen. Aus irgendwelchen Gründen war es ihr seither nicht mehr vergönnt gewesen, bei Männern Heftigkeit hervorzurufen. Aber bei genauerer Betrachtung war das vielleicht gar nicht so schlecht. Obsession war nicht gesund, besonders wenn sie einseitig war. Der normale, bodenständige Typ von nebenan war ihr da deutlich lieber. Andererseits waren die reichlich dünn gesät, und wenn sie an Richard, ihren Ex, dachte, war »normal« auch nicht gerade weltbewegend.
»Könnten Sie etwas genauer werden?«, bat Donovan.
Annie zögerte. »Na ja, er hat mir nachts andauernd kleine Zettel und Gedichte unter die Scheibenwischer gesteckt. Damals hatte ich noch ein Auto.«
»Anonym, meinen Sie?«
Annie nickte. »Ich habe sie immer erst am nächsten Morgen gefunden. Natürlich wusste ich, dass sie von ihm waren, auch wenn er es nicht zugegeben hat.«
»Meinen Sie, er hat sie beobachtet? Hat er Sie verfolgt?«
Annie zuckte mit den Schultern, als wäre ihr das gleichgültig. »Vielleicht. Ich habe das nicht so gesehen damals.«
»Was stand auf den Zetteln?«
»Ach, nur ein paar Zeilen. Irgendwie … na ja …« Stirnrunzelnd suchte sie nach dem richtigen Wort. »Irgendwie … Rätselhaftes.«
»Aber nichts Bedrohliches?«
Die Frage schien sie zu überraschen. »Überhaupt nicht. Sollte wohl eher romantisch sein.«
»Hat er sonst noch was gemacht?«
Sie kicherte. »Einmal hat er mir einen Dollarschein an die Windschutzscheibe geheftet, aber ich habe nie herausgefunden, was er mir damit sagen wollte.«
Das Gefühl der Unterlegenheit, das Donovan Annie gegenüber anfänglich verspürt hatte, löste sich zusehends in Luft auf. Annie mochte ihr hinsichtlich der Körpergröße und ihres Aussehens überlegen sein, aber sehr helle war sie nicht gerade. Sie hatte Angels Verhalten offensichtlich nicht als seltsam oder gar bedrohlich empfunden, für Donovan hingegen trug es alle Merkmale eines Stalkers. Und auch wenn sie Angel nur kurz gesehen hatte, musste sie Tartaglia Recht geben: Bei schlechtem Licht passte Zaleskis Beschreibung sehr gut auf ihn.
»Und Sie haben der Sache ein Ende gesetzt?«
»Ja. Er hat mich noch ein paarmal angerufen, aber irgendwann hatte er’s kapiert.«
»Und wie kommt es, dass Sie wieder Kontakt haben?«
»Ich habe einen Nebenjob gesucht und auf eine Anzeige geantwortet, die er in die Lokalzeitung gesetzt hatte. Ich habe es mir zweimal überlegt, als mir klar wurde, wer das ist, das können Sie mir glauben. Aber ich brauchte Geld, und er schien ziemlich entspannt mit der Sache.« Wieder musste sie kichern und schaute in ihre Tasse. »Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass er immer noch was von mir will.«
»Und das stört Sie nicht?«, fragte Donovan. Annies Haltung war ihr unbegreiflich. Sie war so absurd offen und vertrauensselig. Donovan musste unweigerlich an die Beschreibungen von Marion Spear denken und war zunehmend besorgt.
Annie riss die Augen auf. »Warum sollte es? Harry ist ein Schatz, wirklich, und ich weiß, was ich tue.« Sie schwang sich vom Sofa. »Noch einen Tee?«
Donovan schüttelte den Kopf und stellte ihre Tasse neben dem Sessel auf den Fußboden. Sie war noch fast voll, der Inhalt war mehr Wasser mit Milch als Tee und inzwischen lauwarm. »Können Sie mir etwas über Angehörige und Freunde erzählen? Gibt es Menschen, die Mr. Angel regelmäßig trifft?«
»Das weiß ich ehrlich nicht«, sagte Annie, ging zur Küchenzeile und stellte den Wasserkocher an. »Er erzählt nie von seiner Familie oder irgendwelchen Leuten. Er behält sein Privatleben für sich.«
»Aber sicherlich ruft ihn doch während der Arbeitszeit mal jemand an.«
»Ich hocke die meiste Zeit unten im Keller, da kriege ich nichts mit. Oben gibt es einen Anrufbeantworter, deshalb muss ich nicht ans Telefon gehen.«
»Sie wissen also nicht, ob er eine Freundin hat?«
Lächelnd drehte Annie
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