Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
um ihren großen, schlanken Körper.
»Hatte ich doch Recht«, sagte sie lächelnd. »Sie sehen überhaupt nicht aus wie eine Polizistin. Nicht, dass ich mich da auskenne, nur was man so aus dem Fernsehen weiß.«
Donovan schätzte sie auf Ende zwanzig, Anfang dreißig. Sie hatte eine angenehme tiefe Stimme mit amerikanischem Einschlag, der nicht ganz echt klang. Das dunkle Petrolblau des Morgenmantels betonte ihre blasse Haut und das Kupferrot ihrer langen Locken. Ihre Augen waren von einem auffälligen Dunkelbraun. Sie war mindestens einsachtzig groß, dachte Donovan, als sie ihr in die Wohnung folgte, und wünschte, sich am Morgen nicht für die flachen Stiefel entschieden zu haben, auch wenn hohe Absätze letzlich keinen großen Unterschied gemacht hätten. Meistens machte ihre geringe Körpergröße ihr nichts aus, aber aus irgendwelchen Gründen fühlte sie sich plötzlich unterlegen.
»Haben Sie Lust auf einen Tee?«, fragte Annie. »Ich wollte mir gerade einen machen, als Sie geklingelt haben.«
»Gern.« Donovan ließ sich in einem tiefen, durchhängenden Sessel mit grellorangefarbenem Überwurf nieder. Nach dem vielen Kaffee, den sie im Laufe des Vormittags getrunken hatte, fühlte sie sich flatterig. Tee würde ihr guttun.
Es war ein großes, helles Zimmer mit Dachschrägen und zwei Fenstern, die Wände hellrosa gestrichen. Über dem kleinen Kamin hing ein Spiegel, der mit golden bemalten Kammmuscheln beklebt war, die Wand daneben wurde von einem großen, professionell aussehenden Foto einer jungen Frau beherrscht. Es dauerte eine Weile, bis Donovan erkannte, dass es Annie war; mit dem Make-up, der Kleidung und dem Licht sah sie vollkommen verwandelt aus.
Donovan betrachtete sie, wie sie an der kleinen Küchenzeile in der Zimmerecke Tee kochte, und ihre Neugier war geweckt. Annie war ein bei weitem zu exotisches Geschöpf, um Angel beim Bücherpacken zu helfen.
»Sind Sie Model?«, fragte sie, als Annie mit zwei Tassen zu ihr kam.
»War ich. Aber ich habe keine Lust mehr darauf, ich würde lieber schauspielern.« Sie zog eine Grimasse. »Leider hat das keine Lust auf mich.« Sie setzte sich auf das Sofa gegenüber, schwang elegant die Beine auf den Sitz und stopfte sich die Falten des Morgenmantels um die Füße.
»Ich hörte, dass Sie stundenweise im Buchladen Soane arbeiten.«
Zögernd nahm Annie einen Schluck Tee. »Na ja … nicht offiziell. Soll heißen, Harry bezahlt mich bar, und ich geb‘das beim Finanzamt nicht an.«
Donovan lächelte, um sie zu beruhigen. »Keine Sorge. Das interessiert mich nicht. Seit wann arbeiten Sie schon da?«
»Seit ein paar Monaten erst. Der Versand übers Internet läuft ziemlich gut, und Harry schafft das nicht mehr allein.«
»Wissen Sie, ob er vor zwei Jahren auch schon eine Hilfe im Laden hatte?«
Annie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, aber da müssen Sie ihn fragen. Warum wollen Sie das überhaupt wissen?«
»Wir führen Ermittlungen zum Tod einer Frau namens Marion Spear.«
Annie blickte verständnislos drein. »Und was hat das mit Harry zu tun?«
»Mr. Angel war einer ihrer Kunden. Ich brauche nur ein paar ganz allgemeine Informationen, damit wir ihn abhaken können.«
»Weiß Harry, dass Sie hier sind?«
»Natürlich. Er hat uns Ihre Adresse gegeben.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber Annie machte keinen sehr misstrauischen Eindruck. Wenn sie herausfand, dass Angel nicht gerade erpicht darauf war, dass sie sich mit der Polizei unterhielt, würde es zu spät sein.
Annie schien sofort beruhigt und lächelte. »Na dann kann ich ja mit Ihnen reden.«
»Wie gesagt, ich brauche nur ein paar Hintergrundinformationen, mehr nicht. Vielleicht fangen wir damit an, wie oft Sie im Buchladen arbeiten.«
»Kommt drauf an. Ich habe viel Zeit im Moment, und Harry ist es ziemlich egal, wann ich komme und gehe.«
»Sie sind also fast jeden Tag da?«
»Manchmal, wenn viel zu tun ist und ich kein Vorsprechen habe.«
Eine lockere Vereinbarung, und Donovan gewann den Eindruck, dass Harry Angel mehr ein Freund denn ein Chef war. »Kennen Sie sich schon lange?«
Annie lächelte und nippte an der Tasse. »Ein paar Jahre.«
»Waren Sie mal zusammen?«, fragte Donovan. Sie hatte einen gewissen Blick in Annies Augen gesehen und zwischen den Zeilen gelesen.
»Na ja, so würde ich es nicht nennen. Wir sind ein paar mal zusammen ausgegangen, aber es hat nicht funktioniert.«
»Warum nicht?«
Annie nahm Zuflucht zu ihrem Tee. »Hören Sie, ich
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