Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
Natürlich tat sie das. Er konnte es in ihren Augen lesen. Er war genau so, wie sie sich erhofft hatte, und noch besser. So lange schon hatte sie von ihm geträumt, und jetzt endlich stand er vor ihr, der Märchenprinz aus Fleisch und Blut.
Er beugte sich vor, um sie richtig zu küssen. Wieder dieser widerliche Gestank von Pears. Hatte sie damit geduscht? Er versuchte, ihn auszublenden, und sah zu, wie sie einen leisen Seufzer von sich gab, die Augen fest zukniff und ihm die gespitzten Lippen hinhielt, ein Kinderkuss. Er war überrascht, wie unerfahren sie war. Die meisten Mädchen ihres Alters waren kaum besser als Flittchen.
Er küsste sie noch einmal und ließ seine Lippen einen Moment lang auf ihren ruhen, fuhr ganz leicht mit der Zunge über ihren Mund und spürte, wie sie in seinen Armen weicher wurde, während er sie musterte: die ungezupften Augenbrauen, die feinen goldenen Härchen auf den Wangen, die verblassten Sommersprossen auf der Nase. Das Winterlicht blich ihr die Farbe aus dem Gesicht und verlieh ihr eine totenähnliche Blässe. Er war überzeugt, dass sie Jungfrau war, auch wenn das für ihn keinen besonderen Reiz darstellte.
Als er fand, dass es genug sei, trat er einen Schritt zurück, und sie schlug die Augen auf. Sie waren von einem hellen Blau, ohne Zweifel ihr größtes Kapital. Vertrauensvolle Augen, sanft und unschuldig. Sie war wirklich perfekt. Er musste lächeln über sein Glück und zeigte ihr seine schönen weißen Zähne.
»Bist du wirklich sicher? Verschwende ich nicht nur meine Zeit mit dir?«
Sie schaute weg, als hätte sie sich an seinem Blick verbrannt, und fingerte an einem losen Faden an ihrem Mantelärmel herum.
»Mir ist es ernst, das weißt du«, sagte er und betrachtete sie eindringlich. »Wirst du mich auch nicht enttäuschen?«
Langsam schüttelte sie den Kopf, aber er war nicht überzeugt. Er berührte sie leicht unterm Kinn, sodass sie wieder zu ihm aufschaute.
»Komm schon. Wir beide zusammen. Together, forever, you and I.«
Ein Zitat aus irgendeinem Lied, genau der Kitsch, der ihr gefiel. Sie war leicht zufriedenzustellen und hatte die Gedichte, die er ihr geschickt hatte – allesamt über Liebe und Tod -, regelrecht aufgesogen. Offensichtlich berührten sie einen wunden Punkt in ihr und hatten ein Schleusentor der Bekenntnisse und der Bedürftigkeit geöffnet. Der Schmerz, die Einsamkeit, der traurige Katalog von Vernachlässigung und Kummer. Er verstand sie so gut. Er war ihr Seelenverwandter, ihre erste und einzige Liebe.
»Wir beide. Zusammen. Niemand kann uns trennen. Das wolltest du doch, oder? Das hast du gesagt.« Er sah sie an und versuchte, Wärme in seinen Blick zu legen, seine Ungeduld zu überspielen. »Wir gehören nicht in diese Welt. Das ist der einzige Weg, das weißt du.«
Sie schluckte und nickte langsam, Tränen in den Augen.
»Gut. Ich habe alles, was wir brauchen.« Er klopfte auf seinen Rucksack und schwang ihn sich über die Schulter. Dann beugte er sich vor und drückte ihr noch einen schnellen Kuss auf den Mund. »Komm, meine Liebste. Es ist Zeit.« Er legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie in die fast dunkle Kirche.
Ein modriger Geruch hing in der Luft; Feuchtigkeit gemischt mit dem Gestank welkender Blumen, weißer Rosen und Chrysanthemen, die in gleichmäßigen Abständen den Mittelgang säumten. Ihm war unbegreiflich, warum irgendjemand ausgerechnet in dieser Kirche getraut werden wollte. Sie hatte keinerlei Atmosphäre, da war nicht Bemerkenswertes an dem kahlen, großen Innenraum mit den Marmorplatten, den Kriegsgedenktafeln und den anonymen Reihen brauner Kirchenbänke, nichts, was Touristen oder andere zufällige Besucher hätte anlocken können. Ein vernachlässigter Ort, ungeliebt und unbesucht. Und auffallend ungesichert, wenn es auch nichts gab, was sich zu stehlen lohnte. Er hatte seine Hausaufgaben gemacht und die Kirche sorgfältig ausgewählt. Nachmittags unter der Woche herrschte hier Leere, perfekt für das, was vor ihnen lag.
Gemma stand wie angewurzelt da und schaute zu dem runden Buntglasfenster über dem Altar auf, dessen Juwelenfarben im schwachen Licht des Tages leuchteten. Das Martyrium des heiligen Sebastian, Anfang des 19. Jahrhunderts, erinnerte er sich in der Kirchenbroschüre gelesen zu haben. Die heilige Katharina oder die heilige Johanna hätten einen passenderen Hintergrund abgegeben, aber weibliche Heilige waren in London dünn gesät.
Er riss an ihrem Ellbogen. »Komm. Es kann
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