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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Spiegel schaust, der auch in einen Spiegel schaut. Kennst du bestimmt, dieses Spiel. Und ein zehntausendfaches Spiegelbild-Gewitter erschlägt dich, bis du dich selber nicht mehr kennst.
    Das ist fast so, wie wenn du über das Denken nachdenkst.
    Versuch einmal, beim Denken gleichzeitig an dein Denken zu denken! Siehst du, da ist der Ganglien-Salat schneller fertig, als du denken kannst.
    Ich habe mir sagen lassen, daß nicht einmal die gescheitesten Hirndoktoren wissen, wie sie denken. Und deshalb kann ich es dir heute nicht allgemeingültig erklären. Aber ich kann es dir für den Brenner erklären. Weil der Brenner hat da seine eigene Methode gehabt. Und da brauche ich nicht einmal ein medizinisches Fremdwort, damit ich dir die Denkmethode vom Brenner erklären kann. Weil für diese Methode gibt es ein ganz einfaches Wort. Und dieses Wort heißt Grant.
    Und wenn der Brenner ein Problem gehabt hat, das er nicht hat lösen können, dann hat er einen Grant bekommen, das war nicht mehr feierlich.
    "Was sagst du dazu, daß der Junior uns immer noch keine Gasautomatik einbauen läßt", hat der Czerny versucht, ein bißchen das Stimmungstief zu überwinden.
    Aber der Brenner kein Kommentar. Er hat sich sogar einen Kaugummi aus dem Handschuhfach genommen, obwohl normalerweise nie Kaugummi. Aber heute demonstrativ: Ich kann nicht reden, weil ich meinen Mund zum Kauen brauche.
    "Letzte Woche", hat der Czerny noch ein bißchen durchgehalten, "habe ich einen Klassepatienten nach München gefahren. Zehn Stunden Autobahn, was glaubst du, wie das den rechten Schuh einseitig belastet. Da wäre eine Gasautomatik ein Traum."
    Der Brenner hat so heftig Kaugummi gekaut, daß man glauben hätte können, die Lichtmaschine ist ausgefallen, und er muß mit seinen Kaumuskeln den Notstrom erzeugen.
    "Wenn ich mir meine Schuhe anschaue, da ist überall der rechte Schuh schief abgetreten vom Gasgeben. Das wäre mit einer Gasautomatik sofort weg. Schau dir einmal deine Schuhe an!"
    Mit seinen Grantanfällen hat der Brenner im Lauf seines Lebens schon öfter wem den Nerv gezogen. Aber Kehrseite der Medaille: Je grantiger er auf ein Problem geworden ist, um so mehr hat er sich darin verbissen.
    Darum sage ich ja "Notstrom erzeugen". Das mußt du dir vorstellen wie in einem Krankenhaus, wo der Strom ausfällt. Da haben sie natürlich ein Notaggregat, mit dem die wichtigsten Geräte weiter versorgt werden. Weil mitten in einer Operation Stromausfall, gute Nacht. Und mit so einer Art Notstrom hat der Brenner an diesem Tag seine Arbeit mit dem Czerny ganz normal weitergemacht. Er hat ja die Patienten nicht auf den Boden fallen lassen, er hat sie nicht in die Speiseröhre intubiert, und er hat auch niemanden über den Haufen gefahren.
    Aber nur Notstrom, nicht Hauptstrom. Jetzt große Frage: Wo geht der Hauptstrom hin, während ein Stromausfall ist? Der verschwindet ja nicht, der muß ja irgendwo sein. Was hat das Hirn vom Brenner die ganze Zeit getan, während er stundenlang mit dem Notstrom-Grant dahingefuhrwerkt hat?
    Aber nicht, daß du glaubst, Hochkonzentrationsarbeit mit der frei gewordenen Starkstromenergie. Da kennst du den Brenner schlecht. Der Brenner ist ja so ein unkonzentrierter Mensch gewesen, wie du ihn suchen mußt. Manchmal ist ihm das selber fast wie eine Krankheit vorgekommen. Je wichtiger ein Problem war, um so unkonzentrierter ist er geworden. Das hat ihm ja bei der Polizei das Leben so schwergemacht. Und für so einen Unkonzentrationsschub brauchst du natürlich viel mehr Energie als für ein bißchen Konzentration.
    Jetzt hat der Brenner über hunderttausend Dinge nachgedacht, nur nicht darüber, wie er das Problem mit dem Rettungsbundfunk lösen könnte. Aber paß auf, damit du verstehst, warum der Brenner die Gauner ausgerechnet immer mit seiner Unkonzentriertheit geschnappt hat.
    Weil um halb fünf hat er immer noch keinen Gedanken an den Rettungsbündlerfunk verschwendet gehabt. Statt dessen hat er neben tausend anderen Dingen an das Papstfoto im Büro vom Junior gedacht. Und wie der Papst so viel Staub auf den Lippen gehabt hat. Und wie ihm der Hansi Munz einmal einen von seinen ewigen Witzen erzählt hat: daß der Papst als Fernsehkandidat bei "Wetten daß" antritt, weil er alle Flughafenrollbahnen der Welt am Geschmack unterscheiden kann.
    Dieser Witz hat den Brenner in seinem Unkonzentrationsschub daran erinnert, wie sie bei der Polizei einmal einen Spanner verhaftet haben. Der war aus Wien, aber geschnappt haben sie

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