Komm, suesser Tod
tacuisses, philosophus mansisses!" hat der Professor bei jeder Gelegenheit gebrüllt, praktisch Latein: Schweigen ist Gold. Weil der hat früher einen guten Posten bei der Gestapo gehabt und jetzt nur noch Lateinlehrer, da hat er immer das Schweigen herausgebrüllt, daß die Fensterscheiben gezittert haben.
Aber da hat es der Brenner schon gesagt gehabt. Da ist es schon herausgerutscht gewesen. Dreimal hat er geschwiegen und das Sprichwort eingehalten. Aber beim viertenmal ist er dem Junior mit seiner Funkgeschichte doch auf den Leim gegangen und hat gesagt: "Gibt es dafür einen Beweis?"
Und siehst du, man soll ein Schwächezeichen nie überbewerten. Weil der Junior hat in den Himmel hinaufgeschaut und mit einem sympathischen Schnurrbartlächeln gesagt: "Den möchte ich von Ihnen, Brenner."
4
Am nächsten Tag ist der Brenner mit so einem Grant unterwegs gewesen, daß es mich heute noch freut, daß ausgerechnet der Czerny es ausbaden hat müssen. Der Czerny war für seinen Schnurrbart berühmt, der eher wie eine gulaschfarbene Zahnbürste ausgesehen hat, und Ironie des Schicksals: Trotz Zahnbürste im Gesicht hat er einen fürchterlichen Mundgeruch gehabt. Und ob du es glaubst oder nicht: Das war noch das Sympathischste an ihm.
Weil der Czerny hat überhaupt nur über ein Thema reden können, und das war Geld. Wenn du mit ihm länger als fünf Minuten geredet hast, hat er dir garantiert eine Versicherung angedreht oder ein Abo. Nur gepokert hat er nie, weil das Czerny-Motto: intelligente Geldvermehrung ja, Glücksspiel nein.
Aber fünf Minuten lang reden wäre heute mit dem Brenner sowieso unmöglich gewesen. Der hat so einen Grant ausgestrahlt, daß der Czerny es die ganze erste Stunde gar nicht probiert hat, auch nur ein Wort aus ihm herauszubringen. Diese Geldgeier sind ja oft die sensibelsten Menschen. Weil einem Menschen die Haut über den Kopf ziehen kannst du natürlich am besten, wenn du dich ein bißchen einfühlst in seine Haut.
Er hat auch nicht in der Rettungszentrale gewohnt, weil er hat sein eigenes Haus mitten in der besten Döblinger Villengegend gehabt. Das hat ihm eine Dialysepatientin für einen symbolischen Schilling vermietet. Die Dialysepatienten müssen ja so oft ins Krankenhaus, daß du sie als Rettungsfahrer automatisch besser kennenlernst. Und wie der Czerny herausgefunden hat, daß die alte Frau Dr. Kaspar mehrere Häuser besitzt, hat er einen Charme entwickelt, daß ich sagen muß, Hut ab. Da hat die Patientin noch nicht einmal ihre Spenderniere abgestoßen gehabt, ist sie schon ihre Villa los gewesen.
"Du bist heute so einsilbig", hat der Czerny dann doch irgendwann gesagt.
"Einsilbig?" hat der Brenner geantwortet.
Ein paar Minuten später, wie sie wieder einmal bei der Baustelle vor den Barmherzigen Brüdern gewartet haben, sagt der Czerny: "Das waren ja jetzt immerhin schon drei."
"Was drei?"
"Silben."
"Was drei Silben?"
"Drei Silben sind es gewesen, die du gesagt hast."
"Wo hab ich drei Silben gesagt?"
"Vorher. Wie du
einsilbig
gesagt hast. Einsilbig. Das sind immerhin drei Silben", hat ihm der Pfennigfuchser vorgerechnet. "Da kann man nicht sagen, daß du einsilbig bist."
"Du bist ein kleiner Philosoph", hat der Brenner gegrantelt.
"Und du bist ein Grantscherben. Dir muß ja der Junior gestern sauber den Kopf gewaschen haben."
So falsch der Czerny auch gelegen ist, hat er doch den Nagel damit auf den Kopf getroffen, daß der Junior der Grund für den Grant vom Brenner war. Weil der Brenner war so froh, daß er endlich einen ordentlichen Beruf gefunden hat. Geregelt und Gehalt und Wohnung und Pension und alles. Aber einen Moment nicht aufgepaßt, und schon hat dich die Vergangenheit wieder eingeholt.
Das wäre schon Grund genug für seinen Grant gewesen. Daß er jetzt für den Chef auf einmal wieder den Detektiv spielen soll.
Daß er auf einmal wieder in der Unterwäsche von anderen Leuten wühlen soll. Aber Unterwäsche noch harmlos. Am schlimmsten war für ihn immer der technische Klimbim. Funk schon bei der Polizei nie sein Ding. Immer die Stimmen und alles. Der Brenner hat ja nicht einmal richtig gewußt, wie man einen Funk überhaupt abhört. Geschweige denn, wie er abhören soll, ob die Rettungsbündler ihren Funk abhören.
Einen Abhörer abhören, das ist ja überhaupt schon ein perverser Gedanke. Wenn man schon etwas belauscht, dann bitte das Sprechen und nicht das Lauschen. Das Lauschen belauschen, das ist so grundverkehrt, wie wenn du in einen
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