Komm, suesser Tod
vollkommen aus dem Häuschen ist.
"Der Groß ist tot!"
Der Brenner hat ihm angesehen, daß es kein Scherz war.
Schon allein, weil er gesagt hat "der Groß" und nicht "der Bimbo", quasi: Respekt vor den Toten.
Trotzdem hat er momentan lachen müssen, als hätte ihm der Hansi Munz einen guten Witz erzählt.
5
"Ich möchte wissen, was es da zu lachen gibt!" hat der Hansi Munz nach einer Schrecksekunde aufgeschrien. "Der Tod ist groß", hat der Brenner geantwortet. Aber der Munz hat natürlich davon überhaupt nichts wissen wollen: "Der Groß ist tot!" hat er störrisch wiederholt. "Der Bimbo! Ich möchte wissen, was es da zu lachen gibt!"
"Ich lache ja nicht", hat der Brenner behauptet. Weil erstens hat er es jetzt wirklich nicht mehr zum Lachen gefunden. Und zweitens hat er nicht die Geduld gehabt, dem Munz die ganze Geschichte zu erzählen. Schon gar nicht in dieser Situation.
Aber dir kann ich es ja kurz erzählen.
Wenn du heute Leichenbestatter bist, dann ist das ein hochqualifizierter Beruf. Das ist nicht mehr wie früher, wo man gesagt hat: Ein bißchen traurig schauen und ein paar Hunderter-Nägel für den Sarg, und schon bist du als Leichenbestatter ein gemachter Mann. Sondern gewaltiges Anforderungsprofil: Du mußt die Psychologie haben, du mußt das Gärtnerische haben, du mußt die bürokratische Hürde haben, du mußt die ganze Buchhaltung haben. Und, und, und!
Und damit bist du noch lange nicht bei den Spitzenbestattern dabei. Weil der Spitzenmann muß auch die Literatur haben, und zwar alles: Japanisch, Chinesisch, Weisheiten, alles.
Wie vor einer Ewigkeit die Tante vom Brenner beim Anstellen für die Osterbeichte tot umgefallen ist, da ist er es gewesen, der aus dem Katalog vom Leichenbestatter die Worte für das Trauerbillett aussuchen hat müssen. Die Leichenbestatterin hat dann ganz ehrlich zugeben müssen, daß das wirklich das schönste war, was er ausgesucht hat, paß auf: "Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt er zu reimen mitten in uns."
Nein, Moment: "Wagt er zu
weinen
mitten in uns."
So ist es richtig. Und ich muß ganz ehrlich sagen, wenn ich heute ein Trauerbillett-Gedicht aussuchen müßte, würde ich das auch nehmen. Weil schon gewaltig: Wagt er zu weinen. Das mußt du dir so richtig auf der Zunge zergehen lassen. Da mußt du aufpassen, daß du nicht selber anfängst zu weinen oder zumindest ein bißchen ding wirst. Das mit "Munds" gefällt mir weniger, aber wahrscheinlich muß es so sein.
Jetzt paß auf. Das Begräbnis von seiner Tante ist über zehn Jahre her gewesen. Und das Gedicht ist im Kopf vom Brenner mindestens so gut verscharrt gewesen wie die Tante im Puntigamer Friedhof, sprich: komplett aufgelöst. Aber daß es so was gibt: Wie der Hansi Munz um Mitternacht zum Brenner sagt: "Der Groß ist tot", ist das komplette Gedicht aus seinem Grab gestiegen, ganz ähnlich wie in der vorigen Nacht die Haare von der Angelika, praktisch Geisterstunde.
Und ich muß ehrlich sagen, das kann ich gut verstehen, daß der Brenner keine Lust gehabt hat, dem Munz die ganze Geschichte zu erzählen. Er hat ja endlich wissen wollen, wieso der Groß tot ist.
Aber leider. Ein Wort ergibt das andere. Und beim Hineingehen der Hansi Munz immer noch wütend: "Sicher hast du gelacht!"
Und ich weiß nicht, ist es die aufgescheuchte Stimmung im Hof gewesen, diese unnatürliche Atmosphäre mitten in der Nacht, das ganze Haus in heller Aufregung, obwohl ja in der Nacht nur die Freiwilligen fahren, von denen kein einziger im Haus wohnt. Oder hat der Brenner doch im Café Augarten ein Bier zuviel erwischt, daß er jetzt zum Hansi Munz gesagt hat: "Der Tod ist groß, wir sind die Seinen lachenden Munds."
"Was redest du da?"
"Ach, nichts. Was ist passiert mit dem Groß?"
"Du hast Munz gesagt!" hat der Hansi Munz aber nicht lockergelassen.
"Ich hab nicht Munz gesagt. Ich hab
Munds
gesagt. Das ist so ein Gedicht."
Und jetzt hat er dem Munz doch noch die ganze Geschichte mit dem Gedicht erklären müssen. Bis der endlich zufrieden gewesen ist, sind sie schon vor der Funkzentrale beim Freiwilligen Fürstauer angekommen.
Und wenn es schon ungewöhnlich ist, daß ein Professioneller mit einem Freiwilligen überhaupt redet, dann natürlich völlig unvorstellbar, daß dabei der Freiwillige das Sagen hat. Jetzt natürlich schon gespenstisch: Mitternacht, ein Toter in der Garage und ein Freiwilliger im Mittelpunkt.
"Soll ich jetzt
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