Komm, suesser Tod
Kochnische wie einen Operationssaal ausgeleuchtet hat. Oder vielleicht soll man nicht immer alles auf das arme Neonlicht schieben. Vielleicht war es auch noch ein bißchen die Nachwirkung von seiner Goldkettchen-Obduktion.
"Um die Zeit Kaffee", hat die Angelika entschuldigend gelächelt. "Aber mir macht er nichts. Und heute kann ich sowieso nicht schlafen." "Was war los mit deinem Vater?"
Sie hat so geraucht, daß sich ihre Wangen bei jedem Zug zentimetertief eingedellt haben. Als wäre es umgekehrt, sprich: die ganze Kochnische voller lebensgefährlicher Rauchgase, und nur durch den Kim-Filter kommt ein bißchen Sauerstoff herein.
Sie hat sich nicht zum Brenner an den Tisch gesetzt, sondern sich an den Kühlschrank gelehnt, so daß drei, vier Meter zwischen ihr und dem Brenner waren. "Die glauben, daß er den Groß erwürgt hat."
"Was sagt dein Vater dazu?"
"Ich weiß es nicht. Sie haben ihn gleich mitgenommen."
"Hat er einen Anwalt?"
"Der Junior hat den Hausanwalt angerufen."
"Glaubst du, daß er es war?"
Sie hat den Kopf geschüttelt. Ganz langsam, so als würde sie nicht den Kopf schütteln wollen, sondern in der Luft wittern, in welcher Richtung die Wahrheit liegt, quasi Tierfilm im Fernsehen.
Und erst wie die Kim aufgeraucht war, hat sie gesagt: "Die Idioten glauben, wegen der Geschichte im Kellerstüberl."
Der Brenner hat nicht recht gewußt, wo er hinschauen soll.
Innerlich hat er genickt. Aber äußerlich hat er nicht genickt. Und auf einmal ist ihm aufgefallen, daß er es genauso macht wie der Kripochef im Sportsakko. Nicht einmal nicken. Nur stur geradeaus glotzen.
Ohne den Sportsakko-Polizisten wäre es ihm bestimmt nicht aufgefallen, daß er der Angelika gegenüber den depperten Nicht-Nicker spielt. Aber wie es ihm jetzt aufgefallen ist, hat er schnell gesagt: "Und deshalb haben sie ihn gleich mitgenommen?"
"Der Bimbo hat ihn die ganze Zeit provoziert."
"Na und? Deshalb bringt man einen nicht gleich um." Die Angelika hat wieder ihr nachdenkliches Tierfilm-Gesicht gemacht. Ich bin nicht der Doktor Doolittle aus dem Fernsehen, aber wenn ich diesen Blick übersetzen müßte, würde ich raten, daß die Angelika mit dem Tierblick gesagt hat: Da wäre ich mir nicht so sicher, daß man deswegen einen Bimbo nicht abwürgt.
Aber wirklich gesagt hat sie nur: "Das ist noch nicht alles.
Mein Vater ist heute mit dem Bimbo im 740er gefahren."
Der Brenner hat nicht genickt. Nicht einmal innerlich.
"Aber er ist es trotzdem nicht gewesen", hat die Angelika gesagt, während sie sich mit einem Blutspende-Feuerzeug die nächste angezündet hat.
Trotz Neonlicht ist dem Brenner die Angelika heute viel hübscher vorgekommen als sonst. Wenn du bei der Polizei arbeitest, kannst du diese Beobachtung immer wieder machen.
Das erste Mal ist es dem Brenner aufgefallen, wie die Frau von seinem Kollegen Knoll tödlich verunglückt ist. Das war noch in seiner Uniformzeit, also über fünfzehn Jahre her. Eine kleine lustige Kärntnerin, gute Schifahrerin, die immer zu schnell mit dem Auto unterwegs war. Ich glaube, sie hat es genossen, daß sie als Polizistengattin die Strafzettel für Schnellfahren wegwerfen hat können.
Nach dem Unfall ist dem Brenner dann aufgefallen, wie sich sein Kollege verändert hat. Das klingt jetzt bestimmt irgendwie ding, aber ich kann es nur so sagen: Die Traurigkeit hat den Knoll irgendwie schön gemacht. Ausgerechnet den Knoll, dem der Simpel sonst bei den Augen herausgeschaut hat, außer Schifahren und Fernsehen nichts im Schädel, und fett ist er auch schon geworden mit seinen fünfunddreißig Jahren.
Im Lauf der Jahre ist es dem Brenner dann immer wieder aufgefallen. Diese Aura bei den verzweifelten Menschen. Beim Knoll hat sich die Aura dann allerdings bald wieder verflüchtigt.
Er hat nach dem Trauerjahr eine Friseurin geheiratet. Und Trockenhaube natürlich ganz schlecht für die Aura.
Die Angelika Lanz hat auch fürchterliche Friseurhaare gehabt.
Du weißt schon: tausendmal blondiert und dauergewellt.
So lange, dürre Zotteln, wie sie die Natur nie zusammenbringen würde, aber der Friseur bringt sie zusammen.
Und trotzdem hat der Brenner jetzt nichts von dem Nuttigen entdecken können, das die Angelika sonst immer ausgestrahlt hat. Eine schöne, traurige Frau. Mit einer Aura, hat sich der Brenner gedacht. Und mit einer Zigarette. Und mit einer Frage.
"Bist du nicht früher einmal Detektiv gewesen?" Scheiße, hat sich der Brenner gedacht. Nur nicht nicken.
6
Es ist
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