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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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ein Gesetz: Wenn du niemanden für die Liebe hast, mußt du ewig suchen, bis du wen findest. Aber kaum daß du wen gefunden hast, laufen dir am selben Tag noch drei andere über den Weg. Jetzt dieses Gesetz auf das Detektivische übertragen: Kaum daß der Brenner den Detektiv an den Nagel gehängt hat, trifft er jeden Tag auf einen neuen Auftraggeber.
    Und auch wie im Vergleich: Der Brenner hat nicht unbedingt das Gefühl gehabt, daß sich die Anliegen vom Junior und von der Angelika so einfach unter einen Hut bringen lassen. Und zwischen den Stühlen immer gefährlich, daß du dir die Hämorrhoiden verkühlst.
    Wie er am nächsten Tag kurz vor vier zum Junior zitiert worden ist, ist ihm sofort aufgefallen, wie schlecht der ausgesehen hat. Da gibt es Menschen, die sehen immer schlecht aus, bei denen ist es ein gutes Zeichen, wenn man violette Ringe unter den Augen erkennt. Weil das bedeutet, daß sie einmal eine Nacht nicht durchgezecht haben, so daß sich rund um die Ringe zum Kontrast ein bißchen Gesichtsfarbe gebildet hat. Aber wenn ein Mensch, der immer soviel Wert auf Sportlichkeit und Gesundheit legt wie der junge Kreuzrettungschef, auf einmal aussieht wie die Rauschgiftsüchtigen, die sie sonst in die Notaufnahme transportieren, dann natürlich Alarm.
    Sein Schnurrbart ist heute nicht so ein scharfer Keil gewesen, daß du dir daran eine Bierflasche aufmachen könntest. Nicht mehr Bomberpilot, sondern ein bißchen schlaff. Fast ein bißchen wie bei diesem berühmten Philosophen, warte einmal, wie hat der jetzt schnell geheißen, der das mit der Peitsche herausgefunden hat. Du weißt schon, so ein Seehundsbart, wo es mit den Speiseresten oft schwierig wird. Wo man die Frittatensuppe irgendwie am Schnauzer vorbeischwindeln muß.
    Aber interessant, wie oft das Äußere zusammenpaßt! Weil dem Junior ist über Nacht nicht nur sein Schnauzbart erschlafft, sondern er hat heute auch ein bißchen philosophisch dahergeredet: "Das Rettungswesen ist eine der größten Errungenschaften unserer Zivilisation."
    Und wenn du sonst alles vergißt, eines möchte ich dir gern mit auf den Lebensweg geben: Bei einem Menschen, der so gesalbt daherredet, kannst du immer davon ausgehen, daß er etwas zu verbergen hat. Jetzt hat der Brenner natürlich gleich gewußt, daß der Junior nicht zugeben möchte, wie ihn der Tod vom Bimbo mitnimmt. So wie der Hansi Munz in der Nacht unerträglich schnoddrig geworden ist, um sich nichts anmerken zu lassen, hat der Junior jetzt unerträglich gesalbt dahergeredet: "Der Gedanke des Rettungswesens ist genau hundertneununddreißig Jahre alt."
    Jetzt natürlich Schlacht von Solferino, sinnloses Gemetzel, Henri Dunant und alles. Das hätte er dem Brenner nicht unbedingt erzählen müssen. Weil das hat der Brenner schon bei seiner Sanitäter-Einschulung zehnmal am Tag gehört. Daher verständlich, daß der Brenner gedanklich ein bißchen abgeschweift ist: Diese französischen Namen klingen doch alle gleich - Henri Dunant, Brigitte Bardot und, und, und.
    "Aber wissen Sie, womit der Gedanke des Rettungswesens untrennbar verknüpft ist?"
    Paß auf, was ich dir sage. Weil ich vorher überlegt habe, oft komische Zusammenhänge, philosophischer Schnurrbart und philosophisches Reden. Und jetzt unglaublich: zuerst Gedankenabschweifung über die französischen Namen - und dann das französische Erlebnis. Weil der Brenner hat jetzt so ein Déjàvu-Erlebnis gehabt, daß ihm fast der Plastiksessel unter dem Hintern verdunstet wäre.
    Auf einmal ist er wieder auf dem Holzstuhl in der Polizeischule gesessen, wo sie ihnen auch immer diese Weisheiten hineingedrückt haben. "Die Exekutive ist eine der drei Säulen der Demokratie." Diesen Satz hat der Brenner in der Polizeischule so oft gehört, daß er damals automatisch angenommen hat, er stimmt nicht, praktisch Trotzcharakter. Und was er dann im Polizeidienst in dieser Hinsicht erlebt hat, damit möchte ich jetzt lieber gar nicht anfangen, sonst springst du mir noch von der Brücke.
    Aber polizeiliche Gewalt, da kann man immer viel diskutieren. Das ist auch wichtig für die jungen Leute, daß sie das diskutieren, so wie es für einen Hamster wichtig ist, daß er sich die Zähne an den Gitterstäben von seinem Käfig ein bißchen abschleift. Der Hamster, den der Brenner als Kind von seinem Großvater bekommen hat, hat das auch immer gemacht.
    "Der Gedanke des Rettungswesens", hat der Junior den Brenner aufgeschreckt, der sich gerade geärgert hat, daß ihn das

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