Komm, suesser Tod
Rosi sich gewundert. "Die zwei von der Kripo sind auch schon wieder dagewesen."
"Und? Welches Sakko hat dir besser gefallen?"
"Das vom Chef."
"Wie hast du erkannt, wer der Chef ist?"
"Er hat nichts gegessen."
"Cholesterinbewußt, die Führungsmenschen", hat der Brenner gesagt, bevor er sich das nächste Stück Leberkäse in den Mund geschoben hat.
"Der Sindelka ist da anders. Der war heute auch schon bei mir."
"Der Sindelka von der Autopsie?"
"Nein, der Sindelka von den staatlich geprüften Jungfrauen."
Weil die Rosi ist ein Mensch gewesen, die hat einfach nicht normal ja sagen können. "Sonst kommt er immer erst am Nachmittag. Jeden Tag sein Spenderherz, und trotzdem so dünn wie ein Bleistift."
"Vielleicht sportelt er viel."
"Gegege. Dem sein einziger Sport ist das Leichenaufschneiden."
"Davon wird's kommen."
"Was?"
"Daß er nicht zunimmt. Vom Leichengift", hat der Brenner todernst behauptet.
"Gegege!"
Der Brenner hat mit seinem letzten Brotstück den Senf aufgetunkt, während die Rosi erzählt hat: "Den Stenzl und die Irmi hat er sogar auseinanderschneiden müssen."
"Was heißt auseinanderschneiden?"
"Auseinanderschneiden eben", hat die Rosi erklärt. "Weil die Kugel ist zuerst durch seine Zunge und dann durch ihre Zunge.
Und durch die Hitze von der Kugel sind die zwei Zungen zusammengeschmolzen."
"Gegege!"
"Ja, wirklich!" hat die Rosi aufbegehrt. "Glaubst du, der Sindelka erzählt mir was Falsches?"
"Der hat vielleicht einen Job", ist dem Brenner auf einmal seine eigene berufliche Situation wieder ein bißchen in einem rosigeren Licht erschienen.
"Fürchterlich", hat die Rosi das Gesicht verzogen und eine Zehnerpackung Weißwürste aus der Folie geschnitten. "So eine Zunge ist ja etwas Grausiges. Hast du schon einmal eine Rindszunge gegessen?"
"Sicher."
"Ich auch. Einmal und nie wieder! Da tun sie so ein Letscho hinauf, damit man die Zunge nicht genau sieht. Die Noppen und alles. Aber ich hab das Letscho vorher heruntergegessen."
"Das ist ein Fehler."
"Das kannst du laut sagen. Weil dann siehst du die Kuhzunge auf deinem Teller liegen. Genau die Form und die Noppen und alles."
"Das ist nichts."
"Und wenn du sie dann ißt, dann merkst du auf einmal, daß du eine Zunge auf der Zunge hast. Fürchterlich, sag ich dir. Du weißt nicht mehr, ob die Kuh deine Zunge lutscht oder du die Kuhzunge."
"Jaja, so empfindlich darf der Sindelka nicht sein." "Der ist überhaupt nicht empfindlich. Dem taugt das."
"Den Verdacht hab ich auch."
"Weißt du, was er gesagt hat über die zusammengeschmolzenen Zungen vom Stenzl und von der Irmi?" hat die Rosi gegrinst.
"Was weiß ich."
"Das war wenigstens einmal ein Bund fürs Leben."
"So gesehen hat er recht."
"Es kommt noch soweit, daß die Nicole neidig wird."
"Was für eine Nicole?"
"Die Sekretärin vom Stenzl in der Blutbank drüben. Die hat sich mit der Irmi einen Krieg um den Stenzl geliefert, das war nicht mehr feierlich."
Gegege, hat sich der Brenner gedacht.
Und ist einfach einmal in die Blutbank hinüberspaziert.
Wie er dort hineingekommen ist, hat er zuerst geglaubt, er ist falsch. Obwohl er schon zigmal dagewesen ist, weil natürlich Blutkonserven in die Spitäler verteilen eine der Hauptscheißhäusltouren für einen Rettungsfahrer. Aber normalerweise ist er immer am Morgen dagewesen, und da hat es nur so gewimmelt vor Rettungsfahrern und Schwestern, die sich um die Blutkonserven angestellt haben. Und jetzt absolut ausgestorben.
Das Ausgabefenster für die Blutkonserven hat nicht viel anders ausgesehen als die Gepäckschalter bei den Bahnhöfen, wo sie immer die Sandler aus den Schließfächern geholt haben.
Nur daß hier nicht ein Bahnbediensteter hinter dem Ausgabeschalter gesessen ist. Sondern eine junge Frau ist regungslos auf dem Boden gelegen. Und ob du es glaubst oder nicht, dem Brenner ist zuerst aufgefallen, wie hübsch sich die langen braunen Haare auf dem Parkettboden um ihren Kopf gelegt haben. Und erst in zweiter Linie, daß ihr der weiße Schwesternkittel bis zu den Hüften hinaufgerutscht ist.
Wobei ich mich frage, wieso im Krankenhaus immer alle Leute weiße Kittel anhaben. Sogar die Imbiß-Rosi immer einen weißen Kittel, voller Senf- und Ketchupflecken. Da kann man sagen, die braucht ihn wenigstens. Aber wofür braucht die Sekretärin in der Blutzentrale einen weißen Kittel? Das Blut ist ja vollkommen steril verpackt, da geht es ja nicht zu wie bei der Rosi. Aber vielleicht ist es einfach praktisch, daß man im
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