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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Krankenhaus Personal und Kundschaft unterscheiden kann.
    Siehst du, das wird der Grund sein.
    "Können Sie nicht klopfen?" hat die Tote den Brenner gefragt, aber immer noch, ohne daß sie irgendwas bewegt hätte, außer ihren Mund.
    "Ich hab geklopft."
    Sie hat die Augen aufgemacht, und ich muß ehrlich sagen, ich habe noch nie einem Marsmenschen in die Augen geschaut, aber ungefähr so stelle ich es mir vor. Nicht, daß du glaubst grün, sondern braun. Aber von der Form her ganz unnatürliche schräge Marsaugen, sprich Hypnose.
    "Wenn ich meine Übungen mache, bin ich manchmal so entspannt, daß ich das Klopfen nicht mehr höre."
    "Sagt man jetzt Übungen zum Büroschlaf?"
    "Papperlapapp, Büroschlaf." Mit dem Schwung, mit dem sie das gesagt hat, hat sie sich gleich auf die Seite gerollt. "Wissen Sie, was das Wichtigste ist? Man darf nie aus der Rückenlage aufstehen. Immer zuerst auf die Seite rollen."
    Sie ist dann so andächtig aufgestanden, daß man glauben hätte können, irgendeine religiöse Übung steckt dahinter. Buddhismus oder ding, wo sie keine Kühe essen dürfen, und früher haben wir sie dafür ausgelacht, aber heute Rinderwahn, lachen wieder sie uns aus. Dem Brenner ist vorgekommen, daß sogar ihre Haare nur im Zeitlupentempo über ihren Rücken gefallen sind. Und da muß ich schon sagen, vielleicht war auch das der Grund, daß sie einen weißen Kittel angehabt hat. Ihre braunen Haare haben dazu einen netten Kontrast gegeben, richtig lebendige Haare sind das gewesen, und vorher auf dem Parkettboden hat der Brenner noch geglaubt, Totenhaar.
    Dann hat sie sich den Schwesternkittel endlich hinuntergezogen, hat sich auf ihren Drehstuhl gesetzt, und auf einmal hochoffizieller Augenaufschlag: "Womit kann ich dienen?"
    "Ich bin heute für die Übungen bei Ihnen eingeteilt."
    "Sehr witzig."
    "Ja, ich hab immer diese schrecklichen Kopfschmerzen, wissen Sie. Migräne. Und der Arzt hat gesagt, das kommt alles von den Muskelverspannungen im Genick. Da helfen nur Übungen. Leider zahlt die Krankenkasse keine Übungen mehr.
    Aber man hat mir geraten: Gehen Sie doch in die Blutzentrale, da gibt es Übungen unter dem Tisch."
    "Sehr, sehr witzig."
    Du wirst sagen, ein bißchen aufdringlich, wie der Brenner da geredet hat, ein bißchen zu sehr, wie die Männer früher gewesen sind. Aber jetzt werde ich dir einmal was sagen. Es heißt: Durch das Reden kommen die Leute zusammen. Und ein paarmal "sehr witzig", und schon hat sich herausgestellt, daß die Sekretärin ihre Übungen wirklich gegen Kopfschmerzen gemacht hat. Und nachdem die beiden Sportsakkos sie heute schon wieder ausgequetscht haben, zum drittenmal in zwei Wochen, hat sie dringend ihre Übungen gebraucht.
    Umgekehrt hat sie begriffen, daß der Brenner wirklich Kopfwehexperte Nummer eins war. "Aber weißt du, was der Vorteil am Kopfweh ist?"
    Sie hat ihn mit ihren verwunderten braunen Augen so angeschaut, als wäre sie zum erstenmal im Leben geduzt worden. Aber gesagt hat sie nichts.
    "Man weiß wenigstens, daß man noch einen Kopf hat."
    "Sehr witzig."
    "Weil wenn du wem eine Kugel in den Kopf schießt, der hat nicht einmal mehr Kopfweh."
    "Ich schieße aber niemandem eine Kugel in den Kopf."
    "Aber irgendwie muß ja die Kugel in den Kopf von deinem Chef gekommen sein."
    "Paß auf, was du sagst. Er war zwar ein schlechter Chef, ein fauler Hund, der mir die ganze Arbeit hingeschoben hat. Aber erschossen hätte ich ihn deshalb auch wieder nicht."
    "Nicht weil er ein schlechter Chef war, sondern weil er ein schlechter Liebhaber war, hast du ihn erschossen?"
    Da muß ich aber den Brenner jetzt doch ein bißchen kritisieren. Vorher bei der Rosi, das ist vielleicht noch ein Spaß gewesen, wie er zu ihr gesagt hat, daß sie den Stenzl erschossen hat. Aber hier hat sich der Spaß aufgehört. Und da kann man die Augen von der Nicole auch nur teilweise als Entschuldigung gelten lassen. Ich kann mir diese Hauruckmethode überhaupt nur erklären, weil ihm der Junior derart Feuer unter dem Arsch gemacht hat. Und mit Feuer unter dem Arsch tendierst du leicht einmal zu einem gewissen Hauruck.
    Wie er gesehen hat, daß die Nicole auf einmal ihre Augenlider auf Stufe drei schaltet und es so gerade noch schafft, den feuchten Film von ihren Augen zu wischen, ist es dem Brenner auch aufgefallen. Jetzt Trick: etwas Nettes sagen.
    "Und? Bringen die Übungen was gegen das Kopfweh?" hat er sie angelächelt.
    Zuerst etwas Nettes und dann etwas Interessantes: "Ich habe kein Kopfweh

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