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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Funk gekommen sind, nachzumachen. Besonders die quäkende Stimme vom Hansi Munz hat er jeden Tag besser gekonnt. Und es hat Momente gegeben, da hat er schon mit den Patienten Hansi-Munz-mäßig gequengelt. Aber vor allem gefährlich, wie er am Anfang der dritten Woche fast überhört hat, wer ihn vor dem
Golden Heart
so zugerichtet hat.
    "Letzte Woche war ich auf Urlaub", hat ihm der kleine Berti erzählt.
    Um Gottes willen. Fest Substanz absondern. Die Leute immer mit ihrem Urlaub. Da kann man dem Brenner wirklich keine Vorwürfe machen.
    "Du weißt ja, daß mir das mit dem Detektivbüro nicht aus dem Kopf geht."
    Um Gottes willen. Der kleine Berti immer mit seinem Detektivbüro. Aber andererseits ist er wirklich noch der Netteste gewesen. Jetzt hat der Brenner es mit der Substanz geschafft, nicht hinzuhören, aber sich trotzdem ein bißchen mit dem kleinen Berti zu unterhalten: "Hast du am Strand dein Detektivbüro geplant?"
    "Neinnein, ich bin nicht weg gewesen."
    "Hast eh recht."
    "Die Reiserei bringt nichts."
    "Genau."
    "Heute reist ja sogar schon der Müll."
    "Genau."
    "Ich sage immer, heute reist nur mehr der Müll", hat der Berti gelacht.
    "Nur mehr der Müll, das ist gut."
    "Noch dazu in unserem Beruf. Wo man eh jeden Tag dreihundert Kilometer fährt."
    Genau, Berti, hat sich der Brenner gedacht und ist mit den Gedanken schon wieder ganz woanders gewesen, quasi Gedankenreise. Und da muß ich schon sagen: Heute wird das Reisen oft kritisch betrachtet, weil man sagt Massentourismus und alles, und die Leute fahren durch die Welt und werden trotzdem immer engstirniger. Aber das Gedankenreisen sollte man auch einmal kritisch betrachten. Weil während du auf Gedankenreise bist, erzählt dir daheim vielleicht gerade einer, wie du vor drei Wochen zu einer Betonwatschn gekommen bist.
    Aber interessante Parallele! So wie durch das echte Reisen die verschiedenen Länder und Menschen sich immer ähnlicher werden, gibt es gewisse Entwicklungen, wodurch du auch beim Gedankenreisen im entferntesten Reiseziel erst recht wieder lauter Landsleute und alte Bekannte triffst. Man sagt zwar oft, die Welt ist ein Dorf. Aber die Gedankenwelt ist auch ein Dorf!
    Und wie ihm der Berti erzählt hat: "Ich bin jetzt bald drei Jahre dabei, zuerst Achttausender und jetzt angestellt. Aber du weißt ja, daß mich ein Detektivbüro reizen würde", ist der Brenner in Gedanken schon bei der alten Frau Rupprechter gewesen, der Diabetikerin, zu der sie gerade unterwegs waren, um sie im AKH abzuholen.
    Die alte Frau war derart zuckerkrank, daß ihre Wangen so durchsichtig gewesen sind wie dieses dünne Papier, auf das sie die Bibeln drucken. Und Alter natürlich auch biblisch. Und biblischer Zorn auch, weil das war eine Schreckschraube, wie sie im Buche steht.
    Jeden Tag ist sie ins Krankenhaus geliefert und wieder abgeholt worden. Bankierswitwe, die hat eine Versicherung gehabt, frage nicht. Und noch dazu hat sie schon zwei Notarztwagen gespendet. Und wenn die Frau Rupprechter verlangt hätte, daß man ihre Döblinger Villa Tag für Tag auf einem Anhänger mit dem Rettungsauto mitschleppt, dann hätten sie es auch tun müssen.
    Der Brenner hat sie dann auf der Inneren Medizin abgeholt, während der Berti im Auto gewartet hat. Aber interessant: In der Realität war sie noch ein paar Jahre älter als auf der Gedankenreise. Und ihre Wangenhaut noch ein bißchen dünner.
    Und ihr Zorn noch ein bißchen biblischer.
    "Das nächste Mal können Sie mich gleich hier übernachten lassen!" hat sie den Brenner angeschnauzt und mit ihrem Stock auf den Steinboden geschlagen. Obwohl der Brenner sowieso wie üblich bei der Rupprechterin fünf Minuten zu früh gekommen ist.
    Das hat ihm aber nichts ausgemacht, weil Marathonsubstanz.
    Und wie sie dann mit ihrer ewigen Leier vom schlechten Pflegepersonal angefangen hat, hat der Brenner einfach wieder eine Gedankenreise zum Berti gemacht und hat sich jetzt angehört, was ihm der Berti vor ein paar Minuten erzählt hat, praktisch geistiger Videorecorder: "Wir haben am Anfang von der Aktion 8000 einen gemeinsamen Grundlehrgang gehabt. Da sind wir damals achtunddreißig Leute gewesen. Ein paar sind dann zur Feuerwehr gekommen, ein paar in ein Altersheim, ein paar in die Landesregierung, im Grunde wie beim Zivildienst, nur eben freiwillig und ein bißchen besser bezahlt. Einer, mit dem ich mich gut verstanden habe, ist beim Rettungsbund gelandet. Jetzt habe ich ihn letzte Woche angerufen, ob es ihn nicht reizen würde

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