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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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ohne den geringsten Grund. Und ein anderes Mal kriegst du einen Tritt, und du fühlst dich herrlich, wie ein alter Fernseher, der hin und wieder einen Tritt braucht.
    Aber dem Brenner hat der Kopf viel zu weh getan, um auch noch über diese genaueren Zusammenhänge nachzudenken. Er ist vor dem Spiegel gestanden und hat sich gedacht: Unglaublich, daß die Nicole so eine Betonwatschn austeilen kann.
    Aber wie er sich das Gesicht gewaschen hat und wie er das abgewaschene Blut ins Waschbecken rinnen gesehen hat, ist es ihm noch ein bißchen genauer eingefallen. Und beim Abtrocknen hat er schon wieder gewußt, daß es nicht die Nicole war, die ihm so eine Gewaltige betoniert hat.
    Und beim Anziehen hat er sich schon wieder genau erinnert, wie er um vier Uhr früh mit der Nicole das
Golden Heart
verlassen hat. Und wie sie nicht weit gekommen sind. Nicht, weil sie so einen Rausch gehabt haben. Sondern weil aus einem Lastwagen zwei Männer ausgestiegen sind und zur Nicole gesagt haben, sie soll sich schleichen.
    Er hat sich jetzt schon wieder erinnert, wie der eine ihn gefragt hat, ob er der Brenner ist, er aber gar nicht zum Nicken gekommen ist, weil ihm der zweite inzwischen schon eine derartige aufgelegt hat, daß der Brenner statt mit dem Kopf mit dem ganzen Körper genickt hat.
    Beim Anblick der zerfetzten Uniform ist ihm jetzt wieder eingefallen, wie die beiden mit ihm den Gehsteig vor dem
Golden Heart
aufgewischt haben. Vielleicht hätte ich doch nicht mit der Uniform in das Rettungsbundlokal gehen sollen, hat sich der Brenner überlegt. Und gleich hat ihn sein Kopf gestraft.
    Weil Gedanken immer schlecht bei Kopfweh.
    Aber Nicht-Denken noch schlimmer, weil dann hast du nur mehr das Kopfweh pur im Schädel. Jetzt hat der Brenner gedacht: Ich könnte mich ja krank melden. Aber gleich wieder nächster Gedanke: In letzter Sekunde krank melden ist bei den Kollegen auch nicht unbedingt hoch angeschrieben, daß einer gesagt hätte: Hier hast du den Fairness-Pokal, weil wir dir so dankbar sind, daß du dich in letzter Sekunde krank gemeldet hast.
    Das ist ja nicht wie in einem Büro, daß dann die Arbeit einen Tag auf dich wartet: Die Unfallopfer, die Herzanfälle wollen ja unbedingt noch am selben Tag eingeliefert werden, und sogar die Selbstmörder werden ganz zappelig, wenn du sie nicht sofort herunterschneidest. Sei mir nicht böse, aber so haben die Rettungsmänner untereinander gesprochen, es ist nicht bösartig gemeint gewesen, sondern mehr so ein Schutzding.
    Jetzt. Diese zwei Möglichkeiten hat der Brenner gehabt.
    Entweder ich melde mich krank. Oder ich melde mich nicht krank.
    Und wenn du heute zwei Möglichkeiten hast im Kopfwehzustand, ist es das schlimmste. Jetzt ist der Brenner einfach hinuntergestolpert, damit wenigstens die Möglichkeiten aufhören.
    Obwohl er unmöglich fahren hat können. Weil er ja halb blind gewesen ist vor Schädelweh. Das kannst du nicht wissen, wenn du nicht zu den Migränefachleuten gehörst. Es gibt Leute, die glauben, sie haben Migräne, nur weil sie ein bißchen die Schläfe sticht. Aber das müssen dieselben sein, die das Zehennägelschneiden mit Fußamputieren verwechseln.
    Im Bereitschaftsraum hat der Brenner sofort gesehen, daß ein neuer Dienstplan aushängt. Jetzt natürlich Hoffnung, daß er womöglich heute frei hat.
    Aber ganz im Gegenteil. Er ist für heute eingeteilt gewesen, er ist für morgen eingeteilt gewesen, und er hat auf dem neuen Monatsplan gesehen, daß ihn der fette Buttinger für dreieinhalb Wochen durchgehend eingeteilt hat. Dreieinhalb Wochen ohne einen freien Tag, täglich zwölf Stunden.
    Und wie er das gesehen hat und wie er rundherum die höhnischen Grinser von seinen Kollegen bemerkt hat, ist es ihm wieder eingefallen. Alles. Alles wieder eingefallen. Und siehst du, da könnte man bestimmt auch migränemäßig gewisse Theorien aufstellen, sprich: Psychologie. Daß der Brenner-Schädel vielleicht nur die Migräne ausgebrütet hat, damit er sich nicht erinnern muß.
    Aber beim Anblick von dem Strafdienstplan und den höhnischen Grinsern rundherum hat die ganze Migräne nichts genützt, und da hat er sich jetzt doch noch erinnern müssen: Wie er gestern in seinem Dusel eine derartige Betonwatschn eingefangen hat, daß er auf dem Gehsteig liegengeblieben ist.
    Und wie dann jemand die Rettung gerufen haben muß.
    Weil warum sonst wäre dann ein paar Minuten später zum erstenmal seit der Schlacht von Solferino ein Rettungsbundauto in den Kreuzrettungshof

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