Komm, suesser Tod
Junior steht. Weil der Junior hat jetzt seinen ganzen Schutz für sich selber gebraucht.
Im nächsten Augenblick ist der fette Buttinger in die Funkzentrale gestürmt und hat in sein Mikrofon gebrüllt: "740, rücken Sie sofort ein!"
Weil das war der Brenner, der im leergeräumten 740er derart aus der Zentrale hinausgezwitschert ist, daß sich am Gehsteig die Shopping-Heimkehrer bekreuzigt haben. Obwohl eigentlich das Kreuzmachen gar nicht zur Shopping-Religion gehört. Die haben ja andere Rituale, da nimmt man einen Geldschein in die Hand, und den gibt man einer eigens dafür zuständigen Kassiererin, aber Kreuzmachen an und für sich nicht.
Aber wie der Brenner mit Blaulicht und Sirene über die erste rote Ampel gerumpelt ist und dabei einen Reisebus zur Vollbremsung gezwungen hat, hat er im Rückspiegel eine Frau gesehen, die sogar eigens ihre Einkaufstaschen abgestellt hat, um sich zu bekreuzigen.
"740, sofort einrücken!" hat der fette Buttinger wieder gebrüllt. Aber da war der Brenner schon längst über alle Berge.
Und die Shopping-Leute auch über alle Berge, auf und davon ins erstbeste Geschäft und vorsichtshalber etwas für die nächste Altkleidersammlung kaufen, damit man nicht der nächste ist, den die Rettung oder der Teufel holt.
"740, sofort einrücken!"
Der fette Buttinger ist zwar ein furchtbar reizbarer Mensch gewesen, aber ich kann mich nicht erinnern, daß er jemals derart die Funkdisziplin verloren hätte. Weil er hat jetzt geschrien: "An alle Einsatzfahrzeuge! An alle Einsatzfahrzeuge!
Stoppen Sie 740!"
"Standort?" haben die Einsatzfahrzeuge zurückgefragt.
"Unbekannt!" hat der fette Buttinger gebrüllt.
"690 an Zentrale!" hat sich der Schimpl aufgeregt gemeldet.
"690?"
"740 fährt auf der Triester Straße stadtauswärts."
"690 verstanden. Folgen Sie 740!"
"740 fährt 160."
"Auf der Triester Straße?"
"Positiv."
"Dann fahren Sie 170!"
"Verstanden", hat der Schimpl so einsatzmäßig gefunkt, daß ich sagen muß, Kriegsschauplatz nichts dagegen.
Dann kurze Unterbrechung, weil der fette Buttinger einen Wagen zu einem Herzinfarkt in die Herrengasse schicken hat müssen, und dann schon wieder der aufgeregte Schimpl: "690 an Zentrale!"
"690?"
"Schwerer Unfall!"
"Wo?"
"Triester Straße, Kreuzung Anton-Baumgartner-Straße."
"Wie viele Verletzte?"
"Zwei Schwerstverletzte."
"Versorgen Sie die Verletzten an Ort und Stelle. Ich schicke Ihnen sofort den Notarztwagen."
"690 an Zentrale!" hat der Schimpl sich gar nicht mehr beruhigen wollen. "690?"
"Wir sind selber die Verletzten!"
"Was soll das heißen?"
"Überschlag bei der Verfolgung von 740."
"Ihr gottverdammten Arschlöcher!" hat der fette Buttinger noch in das Mikrofon gebrüllt, und dann hat der Brenner leider nicht mehr zuhören können, weil er schon in Alt Erlaa war. Er hat vor dem dritten Block geparkt und ist in den zweiten Stock hinauf, wo der Herr Oswald gewohnt hat, höchstens hundert Meter Luftlinie vom Lungauer entfernt.
Jetzt allgemeine Wahrheit: Oft machen die Männer daheim den Fehler, daß sie nicht aufstehen, wenn es klingelt. Sondern die Frau soll aufstehen, weil die Couch gerade so gemütlich ist, oder sagen wir: Sportnachmittag.
Und wenn die Frau dann die Tür schon aufgemacht hat, ist es womöglich zu spät. Ist die unangenehme Überraschung womöglich schon fertig. Sprich, konkreter Fall: Wie die Frau Oswald die Tür aufgemacht hat, hat der Brenner gleich den Herrn Oswald auf der Couch gesehen, und der Herr Oswald hat den Brenner in der Tür gesehen. Aber der Herr Oswald hat geglaubt, er sieht ein Gespenst, und der Brenner hat geglaubt, er sieht einen akuten 21, sprich Kolbenreiber, sprich Herzinfarkt.
"Ein Herr Brenner ist für dich da", hat sie sich zu ihrem Mann umgedreht, und dem Brenner ist gleich ihre gepflegte Sprache aufgefallen. Eine noble Erscheinung, das muß ich sagen, hochgesteckte Haare, Lodenkostüm und alles, im Fernsehen wäre sie die Gattin von einem Landarzt gewesen, aber im wirklichen Leben war sie nur die Gattin vom Herrn Oswald.
Und die Einrichtung war auch sehr elegant: weiße Wände, weißer Teppich, weißes Ledersofa, weißes Gesicht vom Hausherrn: "Ja", ist es ihm entfahren, "der Herr Brenner!"
"Lange nicht gesehen, Herr Oswald."
"Das ist der Herr Brenner", hat der Hausherr in Richtung seiner Frau gestammelt, "wir kennen uns."
"Kommen Sie doch herein", hat sie freundlich zum Brenner gesagt und ihm die Hand gegeben.
"Nein, ich!" hat der Herr Oswald ausgestoßen. "Ich
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