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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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gehe mit dem Herrn Brenner hinaus." Und dann natürlich fragender Blick von der Frau Oswald. Da gibt es so einen netten Ausdruck, wenn ein paar Leute in einem Zimmer sind und auf einmal verstummt das Gespräch, dann sagt man: Ein Engel geht durch den Raum. Ich weiß auch nicht, wo das herkommt, vielleicht weil man da immer so ein komisches Gefühl hat, praktisch jenseitiger Hauch. Fast wie wenn du beim Shopping in ein Geschäft kommst und alle Regale sind leer.
    Und während der Engel langsam durch den Raum spaziert ist, hat der Brenner sich erinnert, wie er gestern auf der Geriatrie die
Bunte
durchgeblättert hat. Da war ein Foto vom dicksten Mann der Welt, der gerade in Amerika gestorben ist. Ob du es glaubst oder nicht: 420 Kilo! Sie haben die Wand herausreißen müssen, damit sie seine Leiche aus dem Haus gekriegt haben.
    Du wirst sagen, warum haben sie ihn nicht zerschnitten, wäre billiger gekommen, aber siehst du, das ist eine Sache vom Feingefühl. Ich finde, so viel Respekt muß man vor einem Menschen haben, daß man ihn nicht zerschneidet, nur damit man ihn bei der Tür hinauskriegt. Und wenn man ihn nachher zehnmal verbrennt oder vergräbt oder in den Schließfächern von einer Organbank portioniert, das ist etwas anderes, als wenn man ihn aus reinen Transportgründen zerlegt, und da muß ich den Amerikanern ausnahmsweise einmal recht geben.
    Was ich eigentlich sagen will: Der Brenner hat jetzt die Vorstellung gehabt, daß der Engel von diesem amerikanischen Monster durch die Oswald-Wohnung gegangen ist, so ein gewaltiges Schweigen ist das gewesen, das auf einmal zwischen dem Ehepaar Oswald gestanden ist.
    Und dann hat der Brenner zur Frau Oswald gesagt: "Ich bin von der Rettung. Und Ihr Mann hat gestern einem Radfahrer das Leben gerettet."
    Diese Hochhaustürme schwanken ja ganz leicht, das spürt man normalerweise nicht, schon gar nicht im zweiten Stock unten. Aber der Brenner hat sich jetzt eingebildet, daß er es spürt.
    Und siehst du, das muß der Stein gewesen sein, der dem Herrn Oswald vom Herzen gefallen ist.
    "Das hast du mir ja gar nicht erzählt", sagt die Frau Oswald so stolz, daß ihre edlen Augen einen ziemlich unedlen Rührungsschimmer bekommen haben.
    "Wahrscheinlich hat er Sie nicht erschrecken wollen", ist der Brenner mit einer Antwort eingesprungen.
    "Aber da wäre ich doch stolz gewesen! Wieso hast du mir denn das nicht erzählt?"
    Liebe Frauen! Nicht so zappelig nach den Geheimnissen bohren, dann traut sich der Mann mehr heraus aus seinem Schneckenhaus, das wäre mein Ratschlag zu dieser Grundproblematik. Obwohl in diesem Fall natürlich Taktik egal, weil sowieso alles zusammen nur ein einziges Lügengebäude.
    "Der Patient ist bereits außer Lebensgefahr", hat der Brenner schon zur nächsten Lüge ausgeholt. "Und er hat keinen größeren Wunsch, als den Menschen kennenzulernen, der ihm das Leben gerettet hat."
    "Ja, dann mußt du gehen!" ruft die Frau Oswald so resolut, daß ich sagen muß: So würde natürlich eine abgehörte Frau nie mit ihrem Voyeur reden, da kann ich die Vorliebe vom Herrn Oswald schon auch ein bißchen verstehen.
    Sie hat ihm gleich seine elegante Jacke gebracht, und er hat sie angezogen wie ein willenloses Kind.
    "Bis später", hat seine Frau gesagt, aber er hat nichts geantwortet. Und wie er mit dem Brenner im Lift hinuntergefahren ist, hat er immer noch nichts gesagt, und wie er sich neben dem Brenner in das Rettungsauto gesetzt hat, hat er immer noch nichts gesagt, und wie der Brenner schon fünf Minuten lang mit Blaulicht dahingerast ist, hat er immer noch nichts gesagt. Und dann hat er geschrien: "Sind Sie vollkommen durchgedreht? Haben Sie völlig den Verstand verloren? Sind Sie irrsinnig? Sind Sie ein Sadist?
    Wollen Sie meine Ehe zerstören? Haben Sie überhaupt soviel Verstand wie, wie, wie -"
    "Welche Frage soll ich zuerst beantworten?"
    Aber diese Meldung ist dem Brenner im Hals steckengeblieben. Weil im nächsten Moment hat es den Herrn Oswald geschüttelt wie einen Epileptiker, so hat er geheult in seinem Schock, daß seine Frau fast sein kleines Hobby entdeckt hätte.
    Jetzt hat es dem Brenner natürlich leid getan, daß er den 740er ausgeweidet hat wie eine Weihnachtsgans. Weil sonst hätte er jetzt nur in den Medikamentenkasten greifen brauchen und den Oswald mit ein, zwei Rohypnol schön sanft genau so weit hin beruhigen können, daß er nicht mehr hysterisch ist und doch noch einsatzfähig. Aber so hat der Brenner befürchten müssen, daß der

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