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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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wegzuwerfen.
    »Die einzigen Behinderten hier seid gleich ihr beide zusammen, wenn jeder von euch nur noch je ein halbes Hirn hat«, sagte sie.
    Gabe blickte sie mit einem unheimlichen Grinsen an. Er schien sich zu amüsieren. »Was für ein kleines Aas du doch bist!« Er stand auf und trat auf sie zu. Sie schwang mit einer Wucht, die von den Füßen ausgehend bis in ihre Hände aufstieg. Das Holz knackte, was sie erschreckte, als es ihn am Kopf traf, aber der Ast blieb heil. Gabe brüllte und taumelte zur Seite. Eine Blutblase bildete sich an seinem Kopf.
    Ihr eigener Kopf begann über ihrem Hals zu schweben wie ein mit Helium gefüllter hohler Schädel.
    Josh lag noch auf den Knien, bäumte sich aber nach dem Sturz seines Bruders auf. Und als er sich zu Annie umdrehte, baumelten seine Arme wie die eines Gorillas. Er schien unsicher, was er ohne Gabes Anweisung tun sollte.
    Gabe hob die Hand, dann den Kopf. Blut sammelte sich in seiner höhnischen Fratze.
    Josh beugte sich vor und hielt ihm eine Hand hin. Gabe wischte sie weg.
    Calder hüpfte rasch von einem Fuß auf den anderen.
    Blut pochte an der Seite von Annies Hals. Sie musste von unverdautem Pfirsich sauer aufstoßen, schluckte und schlug erneut auf Gabe ein, zielte vorsichtig rechts neben die blutige Beule, diesie ihm schon verpasst hatte. Er ging nieder wie zuvor, und sein Sturz schien eine Art Signal für Josh zu sein, der knurrte und die Lippen schürzte und mit zu Klauen gekrümmten Fingern auf Annie losging.
    Calder schrie so laut, dass sich seine Stimme überschlug. Er vergrub den Kopf in den Händen und streckte sein langes Bein aus, über das wie durch ein Wunder Josh strauchelte und daraufhin gegen Annies Knie stieß. Sie ließ den Ast wieder mit aller Kraft niedersausen, und diesmal zerbrach er in zwei Stücke auf Joshs Kopf, als dieser zu Boden fiel. Eine kleine Blutspur rann über die blasse Kopfhaut unter feinen Büscheln von zerzaustem Haar. Er verströmte einen noch strengeren Geruch, als ob sich aus seinen Adern noch mehr Dreck absonderte.
    Das Aststück in ihren Händen war kaum noch so groß wie ein Lineal. Sie warf es hin und zog das Messer hervor.
    Das Messer schien Calder mehr zu erschrecken als alles andere.
    »Was zum Teufel …?«, brüllte er.
    Urplötzlich platzte die Blase des Hochgefühls. Annie versuchte nicht zu weinen, als die blanke Angst vor dem, was geschah, richtig einsetzte. Die Kirchenlieder kamen ihr wieder in den Sinn. Doch der Grund war nicht derselbe.
    Calder hob das Aststück auf, das neben Joshs Schulter lag. Er zwinkerte Annie zu, und die beiden standen mit gespreizten Beinen da, bereit für das, was da kommen würde.
    Calder sah sich nach links und rechts auf der Straße um. »Leg das Ding weg«, sagte er, als er sich hinhockte und die Schultern der Jungen anstieß, bis sie stöhnten. Er stand auf und nickte ihr zu, und sie nahm es als Zeichen, dass sie die beiden doch nicht umgebracht hatte.
    »Leg das weg.«
    Sie ließ das Messer in ihre Tasche gleiten.
    »Ey!« Calder stieß wieder jeden Jungen an der Schulter. »Los! Aufstehen!«
    Die Jungen rührten sich und rappelten sich allmählich auf alle viere hoch. Sie fluchten und hielten sich auf den Knien im Gleichgewicht. Schließlich standen sie auf, klopften sich ab und verscheuchten die Fliegen, die schon ihre Wunden umkreisten. Und dann lachten sie.
    Josh linste unter einem einzigen dicken Lid hervor. Er lächelte auf eine Art, die erschreckend zärtlich schien. »Du bist was Besonderes, Annie Walsh«, sagte er und hielt die Hände kapitulierend hoch.

SECHS
    Annies Hände sind steif und wund vor lauter Blasen und die Fingerspitzen schrumpelig, weil sie zu lange unter der Dusche gestanden und den Hagelkörnern gelauscht hat, die ans Badezimmerfenster ticken. Erst als das Wasser auf ihrem Rücken kalt wird, stellt sie es endlich ab.
    Es ist spät. Der süße Duft von brennendem Ahorn und der Nebel vor den Fenstern verleihen ihrem Wohnzimmer die heimelige Atmosphäre eines Landgasthofs. Das Haar hängt ihr in nassen Löckchen um das Gesicht. Sie friert und bibbert unter einer roten Wolldecke auf dem Ledersofa.
    »Was wäre wenn?«, pflegte sie gern zu Calder zu sagen. Er ist der Einzige auf der Welt, der weiß, was das bedeuten soll.
    Nach dem Tod des Vaters spielten sie ein Spiel, das sie »Was wäre wenn?« nannten. Wie wäre ihr Leben in diesem Augenblick, wenn ihr Vater noch lebte? Es begann in dem Sommer, nachdem er von ihnen gegangen war und sie gerade

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