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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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Glamourgirl-Lächeln. Ein blauer Männerärmel säumt den Rand. Auf dem Original hat Onkel Calder neben ihr gestanden, aber jemand hat ihn weggeschnitten.
    Kaum zu glauben, dass ihre Mutter einmal so lebenslustig gewesen war, voll warmer Küsse und unbekümmert optimistisch. Sie hatte ihnen fast alles vorgelesen – Zeitungskolumnen, Zeitschriftenartikel, Romane, Essays, die neuesten Forschungsergebnisse über Hirn, Herz, Killerwale, Glasbläserei, das Weltall, alles, was ihr in die Hände fiel – immer herzte und küsste und las sie, versorgte sie mit allem, was wirklich zählte.
    Annie kommen die Tränen, wenn sie an das Loch denkt, das die Vergangenheit von der Gegenwart trennt. Sie könnte ein Schwimmbecken mit all den giftigen Gedanken füllen, die sie gegen die Mutter und mittlerweile auch gegen ihren Bruder gehegt hat.
    Sie wünscht sich, ihre Mutter wäre nicht vorbeigekommen, um ihr das zu erzählen. Sie wünscht sich, Calder hätte sie an ihrem Geburtstag nicht besucht, wünscht sich, er hätte Magnus nicht erwähnt, wünscht sich, sie hätte ihn nicht sagen hören, wie gemein dieser Mensch sei, wünscht sich, er hätte sich nicht so sehr wie ihr Vater angehört, als er es sagte. Sie hätte vielleicht nicht gelacht und ihn so leicht hereingelassen. Sie hätte vielleicht nichts von seiner Liebe zu Sidsel erfahren.
Was wäre, wenn
er an jenem Tag nicht aufgekreuzt wäre? Hätte er dann das getan, was man ihm vorwirft? Was für ein dummes, hoffnungsloses Spiel.

SIEBEN
    Calder tut es weh, daran zu denken, wie glücklich ihn Sidsel macht. Er tut es trotzdem, stellt sich Mateos mexikanisches Restaurant genauso klar vor, als ob er dort in einer der Nischen sitzen würde. Er holt tief Luft, und statt der kalten Betonwände und muffigen Gefängnisdecken riecht er das Leben in dem Restaurant, Bohnen mit Würzhähnchen, den Linoleumfußboden und die blank gescheuerten Tische. Er sieht die blassgelben Wände, die himmelblauen Leisten an Fußboden, Decke und Fenstern, vor denen rot und gelb gestreifte Vorhänge in der Sonne Floridas hängen. Die Luft wird von einer starken Klimaanlage gekühlt, deshalb fühlen sich die roten resopalverkleideten Nischen und Vinylsitze besonders kühl an. Als Junge war er hier immer mit seinem Vater. Sein ganzes Leben lang kommt er schon hierher.
    Vor neun Monaten hat er sich mit Sidsel zum Lunch im
Mateo’s
getroffen. Er betrachtet diesen Tag als den Wendepunkt für alles. Sie betrat das Restaurant, und er stand auf und legte die Hand aufs Herz, wie um den Fahneneid abzulegen. Sie blickte in dem Raum umher, als sie auf ihn zukam, doch Calder konnte sich nicht abwenden. Selbst wenn ihr Ehemann Magnus in der Nische nebenan gesessen hätte, wäre ihm das völlig egal gewesen. Volle vierundzwanzig Stunden waren verstrichen, seit er zuletzt ihr weißblondesHaar über ihre nackten Schultern hatte gleiten sehen. Vierundzwanzig Stunden, seit er ihr leise
Yankee Doodle Dandy
 – ein ihr unbekanntes Lied – ins Ohr gesungen und dabei ihre Rippen gekitzelt hatte, sodass sie sich auf seinem Laken kichernd und quietschend krümmte. Vierundzwanzig Stunden, seit er Zucker und Mehl an ihrem langen Hals geschnuppert hatte. Vierundzwanzig Stunden, seit er ihre Brüste zwischen seinen Fingern und auf seiner Zungenspitze, ihr Inneres wie eine Droge gefühlt hatte, die ihn an einen anderen Ort entrückte, für den er keinen Namen hatte und kein einziges Wort, um es zu beschreiben.
    Sidsel. Einmal mehr hatte sie sich nach allen Seiten umgesehen, bevor sie ihm gegenüber in die Nische glitt und in die Mitte rutschte. Calder streckte die Hand nach ihr aus, und sie überprüfte noch einmal den Raum, bevor sie ihm ihre gab. Sie hatte eine flache runde Sommersprosse auf ihrem Handrücken, und die streichelte er mit seinem Finger.
    »Sid.« Er schluckte und betrachtete sie eingehend. »Wir finden eine Lösung. Versprochen.«
    Sidsel zog sich zurück und steckte die Hände unter die Achselhöhlen wie ein Kind an einem kalten Tag. »Mir gefällt das hier«, sagte sie mit einem aufgesetzten Lächeln. »Ich mag die Wandfarben.«
    Er liebte ihren leichten Akzent. So wie sie manchmal den Mund verzog, war es, als hätte sie beim Sprechen etwas Heißes im Mund. Als er ihr das erste Mal vor der rot-weißen Tür ihres dänischen Cafés begegnete, hatte er überhaupt keine Ahnung, wie lange sie da schon gestanden hatte. Er pflanzte eine junge Magnolie vor die Anwaltskanzlei nebenan, als er eine Stimme sagen

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