Komm wieder zurück: Roman
Karnevaleskes in der Art, wie sich ihr Kopf immer im Kreis dreht.
»Okay«, sagt er.
»Hat er jemanden bei sich?« Eine seltsame Frage, vielleicht aus ihrem Hinterkopf? Überlegt sie, ob er seine Frau mitgebracht hat?
»Nein.«
Owen denkt, dass sie ihn an der Tür erwartet, doch die steht weit offen, und der Fußboden dahinter ist schneebedeckt. Schnell schließt er die Tür hinter sich und stampft mit den Füßen auf die Fußmatte. »Annie?« Das Haus riecht nach rohem Holz. Er zieht die Schuhe aus und sieht sich im Wohnzimmer um. Die Möbel sind abgeschliffen. Das Kaminsims auch. Von der Hitze und dem Harzgeruch bekommt er einen Hustenanfall. Er umklammert die Lehne des Ledersofas und denkt an den Tag zurück, als er es mit Annie aus seinem Truck geschleppt hatte. Sie hatte sich an einem losen Polsternagel an der Unterseite die Hand aufgeschlitzt, und er hatte ihr ein Pflaster geholt, sie auf die Schläfe geküsst und ihr gesagt, sie solle vorsichtig sein. »Vorsicht! Vorsicht!«, formt er jetzt mit den Lippen.
Möglicherweise hat er ziemlich hohes Fieber. Mit Fieber hat er dieses Haus verlassen, und mit Fieber kehrt er zurück, doch dasträgt am wenigsten zu dem Gefühl bei, dass gar keine Zeit vergangen ist, seit er dies hier sein Zuhause nannte.
»Annie?« Er findet sie im Schlafzimmer. Es riecht nach Urin und nach der Kälte, die durch die offene Haustür hereingeweht ist. Sie kauert auf dem Fußboden in ihrem Mantel, der Rücken lehnt am Bett, das Halstuch liegt in einem Haufen neben ihr. Ihr Blick ruht auf Detours Kopf in ihrem Schoß. Seine Augen sind geschlossen, und die Vorderbeine sind ausgestreckt, als würde er sich rekeln. Es ist klar, dass er das nicht tut.
Sie hat keine Ahnung, warum er gekommen ist oder was er will oder wie lange er zu bleiben beabsichtigt. Sie weiß, dass sie frühmorgens noch nicht klar denken kann. Doch letzte Woche hat sie in einem Anflug von Normalität eine Schachtel mit Weihnachtsschmuck aus der Garage geholt und festgestellt, dass Owen die flachen Baumanhänger aus Holz zurückgelassen hat, die er als Kind bemalt hat. Lebkuchenmänner, Schlitten, Adventskränze, ein dünner Weihnachtsmann, alle vergessen in einer Schachtel zusammen mit den roten und goldenen Kugeln ihrer Mutter und einer weißen Engelsfigur, die ihr der Vater an seinem letzten Weihnachtsfest geschenkt hatte. Sie warf alles in die Schachtel zurück, schloss die Tür und schaffte es nie, einen Baum zu besorgen, denn sie konnte nur noch an Owens unschuldige Kleinjungenhände denken, die so sorgfältig die Vorlagen ausmalten, wobei er vor lauter Eifer die Zungenspitze in den Mundwinkel gepresst hielt, und wie dieses stets wohlmeinende Unschuldslamm zu dem Mann herangewachsen war, der sie auf eine Art verletzt hatte, wie das sonst keiner je würde tun können.
Es scheint eine logische Frage: »Bist du gekommen, um den Baumschmuck zu holen?«
»Was?«
Sie sieht nicht auf. »Es ist beinahe Weihnachten.«
»Ich weiß. Ich brauche den Schmuck nicht«, sagt er.
»Du kannst ihn aber mitnehmen, wenn du gehst.«
»Ich bin gerade erst gekommen.«
Sie merkt, dass er Detour ansieht. Sie merkt, dass er sie beäugt.
»Ach, Schatz«, sagt er. »Das tut mir ja so leid.«
Er hustet lange und heftig, kniet sich hin und berührt Detours Kopf, dann Annies Gesicht.
Seine Haut ist heiß. Sie legt ihr Gesicht in seine Hand und riecht seinen Duft. Sofort spürt sie einen Rhythmus unmittelbar unter ihrer Haut vibrieren. Das ist sie, das ist der Mensch, der sie einmal war. Ihre Brust schmerzt, und ihr Hals fühlt sich dick an. Sie legt ihre Hand auf seine in ihrem Gesicht und spürt den goldenen Ehering an seinem Finger.
Sie hebt ihr Gesicht, um ihm in die Augen zu sehen. Am Hellbraun seiner Jacke erkennt sie in ihm den Mann, der in dem Wagen schlief. Er wirkt wie jemand, der wenig Schlaf gefunden hat, lange bevor er in seinem Wagen übernachtete. Um seinen eingefallenen Mund steht ein Stoppelrand von derselben Farbe wie sein Haar, wenn es in der Sonne aufleuchtet. Er hat Ringe unter den Augen, und seine Wangen sind erhitzt, anders als die übrige fahle Haut. »Was ist denn mit dir passiert?«, fragt sie. Doch das spielt keine Rolle. Es ist Owen. Er ist hier, und nur mühsam kann sie sich davon abhalten, ihm das wellige Haar beiseitezusteichen, das ihm fast über das Auge fällt. »Was hast du denn da überall im Haar?«
Er schüttelt sich das Haar aus, fegt sich die Schultern ab und trocknet die Hände an den Jeans.
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