Komm wieder zurück: Roman
bestürzt und verwirrt, die auf einen Anruf wartet, auf eine Erklärung, die ihre Welt wieder in Ordnung bringt.
Annie lässt auch das Telefon in ihre Tasche gleiten, und es klappert gegen das Vergrößerungsglas. Sie stapft zum Haus zurück, und als sie die Veranda erreicht, dreht sie sich um und beäugt die Spuren im Schnee. Die Flocken sind noch schwerer als vorher. Ihre ersten Fußstapfen sind schon fast zugeschneit.
TEIL DREI
ZWANZIG
Das nächste Mal sah Annie Josh Pinckney drei Jahre, nachdem er ihr das Leben gerettet hatte. Im Sommer des Bienenstichs war er ausgerissen. Es war nicht das erste Mal, aber diesmal kam er so weit wie nie zuvor. Er wurde in Jacksonville aufgelesen und zu einer Tante in Tampa geschickt, bei der er seitdem lebte, wie Annie gehört hatte. Sie war inzwischen fünfzehn Jahre alt, verbrachte die meisten Sommertage allein und schrieb Songs, die noch nicht so ausgereift waren, wie sie diese im Geist gehört hatte. Josh war mindestens ein Jahr älter als sie. Sie erkannte ihn nicht einmal. Er war es, der sie erkannte.
Jemand rief ihren Namen in
Lukeman’s Grocery.
Sie drehte sich um und erblickte einen attraktiven Teenager mit kurzem rotblondem Haar. Seine leuchtend grünen Augen waren von blassen Wimpern eingerahmt. Er war sommersprossig und leicht sonnengebräunt und hätte ein Verwandter ihrer Mutter sein können, so vertraut und dennoch fremd war sein Gesicht. Er hielt einen Riesenmilchkanister im Arm. Sie musterte sein kurzärmeliges Hemd, die sauberen Jeans und blauen Bootsschuhe, und allmählich dämmerte ihr, wieso er ihren Namen kannte.
»Joshua«, sagte er. »So heiße ich jetzt.«
Sie ließ den Salatkopf wieder auf den Stapel fallen und befühlte instinktiv ihre Hand, auf die er gespuckt hatte, um sie zu retten.
»Pinckney?«, fragte sie.
»Genau der.« Er packte den Milchkanister mit der linken Hand und hielt ihr die rechte zum Schütteln hin. Sie war kalt von der Milch und so groß wie eine Männerhand. Er roch nach Weichspüler.
»Ich wohne jetzt in Tampa. Ich bin hier nur für einen Tag mit meiner Tante, um meine Familie zu besuchen.« Er deutete in den Gang auf eine Frau mit einem Einkaufswagen und einer winzigen schwarzen Schultertasche. Sie war so sorgfältig zurechtgemacht wie Joshua, ihr glattes dunkles Haar war ordentlich aus ihrem Gesicht zurückgekämmt und die Augenbrauen hatte sie mit feinem Strich nachgezogen, elegant und makellos. Sie erinnerte Annie an den schlauen, weniger attraktiven, aber dennoch gut aussehenden Engel aus
Drei Engel für Charlie
. Sie musste zugehört haben, denn sie drehte sich um, als er sie erwähnte, und winkte ihnen beiden zu. Dann kümmerte sie sich wieder um ihre Einkäufe.
»Ich muss zu meinen Eltern«, sagte er, wie zur Entschuldigung. »Sie haben Besuchsrecht und wollen, dass ich jedes zweite Wochenende komme.«
Sie war in letzter Minute auf ihr Rad gesprungen, um Salat und Ketchup für die Burger zu kaufen, die Calder grillen wollte. Sie brauchte zu lange. Die Holzkohle würde in wenigen Minuten so weit sein, und er würde warten, die Burger ständig umdrehen, damit sie nicht verbrannten.
Sie hatte sich nicht um ihr Aussehen gekümmert, als sie das Haus verließ, denn sie war an dem Morgen früh aus dem Bett gesprungen und in die Kleider vom Vortag geschlüpft, damit sie schnell eine Melodie aufschreiben konnte, die ihr durch den Kopf ging.
Sie sah an sich hinunter, die Holzkohleflecken auf ihrem gelben Trägerhemd, das aus der abgeschnittenen Jeans gerutscht war. Sie roch wie der Dreck auf der Straße. Natürlich trug sie keinen BH, und obgleich ihre Brüste klein waren, zeichneten sie sich wegen der Klimaanlage deutlich ab. Die Füße in den Schlappen waren dreckig, staubig wie von Pollen überzogen. Ihr ging auf, dass sie immer so aussah.
»Du hast dich verändert«, sagte sie und nahm ihn ins Visier. Er sah nicht mehr wie ein Großer Tümmler aus, hatte auch keine zu großen Lider mehr. Vielleicht hatte er wegen seiner struwweligen Mähne so ausgesehen, oder er war jetzt endgültig in seine Gesichtszüge hineingewachsen, oder aber sie hatte ihn nur in ihrer Einbildung so hässlich gefunden, weil sie ihn so sehr gehasst hatte. Jedenfalls sah er jetzt nicht so aus.
»Du dich auch«, sagte er, und sie überlegte, ob sie jetzt beide dachten:
Er zum Besseren, sie zum Schlechteren
; sie bemerkte, dass er auf ihren Busen sah.
Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, trug er die Schürze seiner Mutter und spülte
Weitere Kostenlose Bücher