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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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sie schon länger Freundinnen, und wie sie absichtlich Calder und Magnus mit keinem Wort mehr erwähnten, denn es lag nun mal in der Natur der Sache, wie ihr Vater immer zu sagen pflegte, dass sie eine Pause brauchten.
    »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, antwortet Annie.
    »Es tut mir leid«, sagt Owen. Annie fragt jetzt nicht, was denn genau. Sie ist nahe genug, um ein Rasseln zu hören, als er hustet.
    Sie drückt seine Finger. »Du musst zu Doktor Collins.«
    »Es ist der Tag vor Heiligabend«, krächzt er.
    »Du musst hin.«
    »Heiligabend-Abend«, sagt er und findet das lustig.
    Sie spürt die Hitze durch seine Jacke. Sie richtet sich auf und stützt sich auf ihren Ellenbogen. Es ist offensichtlich, wie krank er ist, aber sie muss unwillkürlich an die unzähligen Male denken, dass sie sich genau an dieser Stelle geliebt haben. Er liegt auf derselben Seite des Betts, auf der er immer geschlafen hat. »Weiß deine Frau, dass du hier bist? Weiß sie, dass du krank bist?«
    »Woher wusstest du, dass ich verheiratet bin?«
    »Calder hat es rausgefunden. Außerdem trägst du einen Ehering, Dummkopf.«
    »Was hat er dir sonst noch erzählt?«
    »Was gibt es sonst noch zu erzählen?«
    Er sagt nichts.
    »Weiß sie, dass du hier bist und so krank?«
    Er hustet und schließt die Augen. »Ja«, sagt er. »Und nein.« Er ist abgekämpft, im Begriff, noch etwas zu sagen, aber es kommt nichts.
    »Ich sollte sie anrufen.«
    »Nein.« Er rollt den Kopf hin und her in einem schwachen Protest.
    »Gib mir dein Telefon.«
    Er scheint einzudösen. Nach einer Minute ist sein Gesicht weich und verletzlich, von Schlaf übermannt. Sie klopft hart auf seine Schulter. Er reißt die Augen auf.
    »Was machst du hier?«, fragt sie.
    Er sieht sich um, als wäre er nicht sicher, wo er sich befindet. Dann schließt er wieder die Augen, seufzt und tätschelt ihre Hand. »Ich brauche nur eine Minute.« Er schläft wieder ein.
    Sie greift in seine Jackentasche und zieht sein Handy heraus. Er rührt sich nicht.
    Sie schlüpft in ihre Gummistiefel, greift sich ein Vergrößerungsglas aus der Schreibtischschublade und geht auf die Veranda hinaus. Was sie jetzt schnell über den Schnee lernt, hat sie instinktiv schon immer gewusst. Er regt zum Grübeln und Meditieren an und schenkt ihr innere Ruhe. Wie gemacht für Tagträume. Zum Nachdenken. Sie verfolgt die Reise einer einzigen Flocke zum Erdboden, dann die einer anderen, während sie in einer weißen Decke verschwinden. Teils treiben sie in diese Richtung, teils in eine andere, obwohl kein Wind weht. Sie könnte den ganzen Tag hier stehen, um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen.
    Sie geht hinunter und bewegt sich anmutig und voller Erwartung durch den Schnee, freut sich über das Knirschen unter den Stiefeln. Ihr Vater sagte einmal, dass Schnee wie neue Polster riecht. Er hatte recht, auch wenn er sich das ausgedacht hatte. Sie geht den ganzen Weg bis zum Rand des Sees und drückt mit der Stiefelspitze in die dünne Eisschicht, die in Stücke zerbricht. Sie driften auseinander, frieren aber in der Kälte wieder zusammen.
    Vor Jahren sah Annie eine Szene in einem alten Film, in der Kinder im Kreis standen und eins nach dem anderen Schneeflocken unter einem Vergrößerungsglas betrachteten. Sie waren von dem Anblick entzückt, sie spielten zwar übertrieben mit offenen Mündern und großen Augen, aber diese Idee hatte sich ihr eingeprägt. Eines Tages würde sie durch ein Vergrößerungsglas Schnee betrachten und selbst sehen, ob sie dann schreien will: »
Hach!
Das gibts doch gar nicht!«
    Sie fängt Flocken auf ihrem Ärmel. Vergrößert werden sie zu Kristallen in der Form von Weihnachtsschmuck. Aufwendige sechseckige Sterne. Skandinavische Kunst. Jeder sieht anders aus, und
hach!
Das gibts doch gar nicht! Sie kann nicht glauben, dass sie tatsächlich so aussehen. Plötzlich spürt sie den Verlust ihres Bruders, den Verlust eines Augenblicks, den es nie geben wird, wie er mit ihr durch das Vergrößerungsglas sieht und über das ganze Gesicht strahlt.
    Sie lässt das Vergrößerungsglas in die Tasche gleiten und holt Owens Handy heraus. Er braucht einen Arzt. Das wird sie seiner Frau sagen. Er liegt in ihrem Bett. Nein, das wird sie nicht sagen. Er ist drinnen und schläft. Er ist sehr krank, wird sie sagen. Doch dann wird sie vielleicht kommen wollen, um ihn abzuholen.
    Das Display auf dem Telefon ist schwarz. Die Batterie ist alle. Annie stellt sich eine junge Ehefrau vor,

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