Komm wieder zurück: Roman
Geschirr am Fenster und sie hatte darüber gelacht. Sie weiß noch, dass sie damals dachte, dass er etwas Trauriges an sich hatte und irgendetwas nicht stimmte, selbst als sie lachte. Jetzt erschien es ihr unmöglich, ihn sich irgendwo in der Nähe jenes Hauses vorzustellen, bei jenen Menschen und dem Mist und den abgezogenen Kaninchen in der Scheune. Dort draußen würde ihm der weiße Besatz auf den blauen Bootsschuhen versaut, und bestimmt hatte seine Tante in weiser Voraussicht alte Schuhe mitgebracht, die er anziehen konnte, bevor er aus dem Wagen stieg.
Eine weiße Narbe kräuselte sich an seiner Augenbraue, wenn er lächelte. Annie war sicher, dass die von ihr stammte. Beschämt fragte sie sich, ob er jedes Mal an sie dachte, wenn er in den Spiegel sah. Dies war der Junge, der die anzüglichen Gesten gemacht, die grausamen Sachen gesagt hatte, der Junge, der einen Ast auf seinem Kopf verdient hatte; doch jetzt sah sie nur noch den Jungen vor sich, der sie mit seiner Spucke gerettet hatte.
»Und du hältst dich von den Bienen fern?«, fragte er, und sie hatte das Gefühl, sie müsste ohnmächtig in den Salat sinken. Sie holte Luft, um zu verhindern, dass ihr das Blut ins Gesicht schoss.
»Ich habe jetzt immer ein Notfall-Set bei mir«, sagte sie, obwohl sie es in Wahrheit meist zu Hause vergaß; tatsächlich hatte sie es jetzt nicht dabei, nur die Geldbörse in ihrer Hand, und siedachte:
Wäre es nicht komisch, wenn eine von den Bienen in den Supermarktmelonen mich gerade jetzt stechen wollte und Joshua hier in Aktion treten und mich noch mal retten würde
?
»Das ist gut«, sagte er.
»Bist du so weit, Joshua?«, rief seine Tante in den Gang. Sie zwinkerte, und ihre markante Augenbraue bewegte sich nach unten, und da war etwas an der Art, wie sie ihn Joshua nannte, das Annie daran erinnerte, als sie klein war und ihre Mutter aus Spaß manchmal Annie Oakley zu ihr gesagt hatte. Jetzt nannte die Mutter sie nie mehr so. Es war zwei Uhr nachmittags, und ihre Mutter war noch nicht aufgestanden, was gewissermaßen auch gut war, denn wenn sie wach war, herrschte dicke Luft, Calders Tics spielten verrückt, der Vater war immer noch tot, und Annies Leben schien so unerträglich hässlich angesichts des frisch geschrubbten Joshua und seines Charlie-Engels.
Sie lächelte nervös, während sie sich ausmalte, wie sich die beiden darauf geeinigt hatten, auf dem Weg zu den Pinckneys einen Kanister Milch zu kaufen. Auf der Farm würde sich der Engel dann weigern, Geld dafür anzunehmen, und während des ganzen Besuchs würde sie vom anderen Ende des Zimmers zwinkern und insgeheim lächeln, wann immer Mr Pinckney etwas Gemeines oder Dummes sagte, und Joshua wäre ganz entspannt. Er wüsste, sie würde nicht zulassen, dass ihm etwas Schlimmes passierte, denn sie war vielleicht in Wahrheit eine Absolventin der Polizeischule, und diese beiden, dieses fähige Duo, war offensichtlich nicht wie die anderen Pinckneys. Am Ende würden sie auf dem ganzen Heimweg lachen bis zu ihrem ordentlichen Haus an der Tampa Bay und sich einander näher, stärker und fähiger fühlen, weil sie bewiesen hätten, dass es nichts gab, was sie nicht gemeinsam meistern konnten.
»Ich glaube, ich muss gehen«, sagte er.
Annie fiel nichts ein, das sie hätte sagen können, und er machte keine Anstalten zu gehen.
So viele Dinge hätten eigentlich anders sein sollen, und sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, und bei dem Versuch spürtesie, wie Zorn in ihr aufstieg. »Pass auf dich auf, Joshua«, sagte sie und fasste ihn am Arm, als ob sie Freunde wären.
»Mach ich, Annie Walsh«, sagte er wie ein netter Junge vom Land mit einem dazu passenden Lächeln. »Mach ich«, und dann schüttelte er ihr wieder die Hand. Diesmal war seine warm, und sie schüttelten die Hände mit festem Druck und länger, als die meisten Leute das tun, als müssten sie einen Deal bekräftigen, an dem sie lange gearbeitet hatten. Erst als sie wieder zu Hause war und schweigend ihren knusprigen Burger aß, insgeheim an Joshua und das Händeschütteln dachte und ihr immer noch die Melodie vom Vormittag durch den Kopf ging, begriff sie zum ersten Mal, was wirklich gemeint war, wenn die Leute davon redeten, »die Vergangenheit ruhen zu lassen«. Sie stand vom Tisch auf, schloss sich in ihrem Zimmer ein und schrieb ihren ersten guten Song, einen, der genauso klang wie die Melodie in ihrem Kopf, und diese Erfahrung stimmte sie für den Rest des Tages gegenüber Calder und
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