Komm wieder zurück: Roman
nicht, dass wir etwas zu besprechen hätten.« Doch dann stieg ihr sein Aftershave in die Nase, und obwohl sie eigentlich an dieser Stelle einen Schlussstrich hatte ziehen wollen, stand sie eine Sekunde zu lange da und starrte auf seinen Mund, der gerade etwas sagen wollte. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schluckte, und als sie ihm in die Augen schaute, war es, als ob die ganz tief in sie hineinsahen, bis zu der schmerzenden Stelle.
»Was hat Gabe zu dir gesagt?«, fragte er.
»Was willst du von mir?«
»Gabe ist ein Trottel. Wenn er deine Gefühle verletzt hat, dann sag es mir.«
»Mit Gabe hat das nichts zu tun«, sagte Calder. »Meine Schwester will, dass du gehst.«
»Stimmt das?«, fragte Joshua Annie.
»Ja.« Sie biss sich auf die Unterlippe und warf einen schnellen Blick auf seinen Wagen.
»Es tut mir leid.« Er zögerte, sah sich um, als wäre er verwirrt.
»Geh!«, sagte Calder.
Joshuas Blick wanderte von Annie zu Calder. »Gut.« Er war nicht sauer. »Ich gehe.« Er wandte sich um, doch dann blieb er stehen und sagte: »Hör mal, Calder. Ich möchte nur eins sagen. Ich erwarte nicht, dass du mir all die Dummheiten verzeihst, die ich angestellt habe. Ich habe damals die Dinge nicht so verstanden wie jetzt. Das soll keine Ausrede sein. Ich sage nur, dass ich gemein und ganz schön dumm war, und ich habe euch beiden das Leben zur Hölle gemacht. Es tut mir so leid, wie es einem Menschen nur leidtun kann.«
Das war nur noch peinlich. Er benahm sich wie ein Erwachsener. Annie wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Mein Leben damals war auch die Hölle auf Erden«, fuhr Joshua fort. »Das ist jetzt anders, aber damals wusste ich es nicht besser, als es an euch beiden auszulassen, und solange ich lebe, muss ich mich damit abfinden, dass ich so ein trauriges Arschloch gewesen bin, nicht besser als mein Vater.«
Es blieb zu lange still. Gerade als Annie es nicht länger ertragen konnte, streckte Calder die Hand aus und schüttelte Joshuas so, wie Joshua an jenem Tag bei
Lukeman’s
Annies Hand geschüttelt hatte.
Annie war sicher, dass alle das Gleiche dachten – Annies und Calders Leben war jetzt die Hölle auf Erden geworden. Die zornigen Kinder waren jetzt sie, die Schmuddelkinder, die verdächtigen Kinder, Kinder voller Wut auf eine Welt, die ihnen keine Chance gibt.
Das Händeschütteln endete wortlos, und Joshua lächelte kurz, aber es war nicht für Annie bestimmt. Er drehte sich um und ging zum Wagen. Calder ging wieder ins Haus, und Annie stand allein im Eingang.
Bevor Joshua die Wagentür öffnen konnte, stand Annie schon neben ihm.
»Ist das ein Spiel?«, fragte sie.
Er ließ die Tür los und kam so nahe an sie heran, dass sie die honigfarbenen Spitzen seiner Wimpern sah.
»Ich will es nur aus deinem Mund hören«, sagte sie, »dass dies nicht irgendein Spiel ist, wenn du hier vorbeikommst.«
Sein Adamsapfel hüpfte. »Ach so. Okay. Ich nehme dir nicht übel, dass du das fragst.« Er wurde rot, und das löste ein Kribbeln in ihrem Bauch aus.
»Nach allem, was ich getan habe, erwarte ich nicht, dass du mir glaubst. Ich meine, nach allem, was
du
getan hast, verstehe ich es eigentlich auch nicht«, sagte er und kratzte die Narbe an seinem Auge. »Aber ich mag dich, Annie Walsh. Ich mag dich sehr. Darum bin ich hier. Darum habe ich dir meine Nummer gegeben und jeden Tag auf deinen Anruf gewartet.«
»Die Pflanze war nass. Und die Nummer verschmiert.«
Er klatschte sich an die Stirn und lachte.
»Seit wann magst du mich denn?«
Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. »Seit dem Tag im Hain.«
»Oh«, sagte sie. »Oh«, als er sich über sie beugte und sie sanft auf den Mund küsste. Er löste sich, nur ein wenig, und dann küssteer sie noch einmal, aber absichtsvoller. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass ein Kuss so durch einen ganzen Körper reisen konnte. Ihre Zungenspitzen fanden sich, und sie schmiegte sich Halt suchend an ihn, doch die Berührung gab ihr noch mehr das Gefühl zu fallen.
Falling off the edge of the world
.
Sie hielten inne für eine Verschnaufpause, und er schloss die Wagentür, während sie die Fenster des Hauses nach Calder oder ihrer Mutter absuchte und freudig erregt war, als sie keinen von beiden sah.
Hand in Hand gingen sie zwischen den Weihrauchkiefern spazieren, die den ganzen Wald nach Gin riechen ließen. Im Gebüsch waren Truthähne und manchmal Jäger, die auf diese schossen, und es gab auch Rotluchse und zeternde Vögel, so
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