Komm wieder zurück: Roman
blutunterlaufenen Augen. Dann sieht er sie so ernst an, dass das Strahlen in ihrem Gesicht erlischt.
»Besser, glaub ich. Wie spät ist es?«
»Beinahe Mittag.«
»Scheiße. Ich muss einen Anruf machen.« Er braucht nicht zu sagen, bei wem.
»Du weißt ja, wo das Telefon ist«, sagt sie. Ihr schwindelt, sie hat das Bedürfnis, ins Wohnzimmer zu laufen, ihre Gitarre aufzuheben und an sich zu drücken wie ein Kind, das zwischen die Fronten eines Sorgerechtsstreits geraten ist. »In der Küche gibts Kaffee«, sagt sie noch.
Im Wohnzimmer nimmt sie die übrigen Ornamente, verteilt sie achtlos auf dem Baum und zieht den leeren Karton auf die vordere Veranda. Beim Anblick des Schnees entspannen sich ihre Schultern, und sie geht wieder ins Haus, wo es nach Tanne, brennenden Ahornscheiten und frischem Kaffee duftet. Sie schaltet die weißen Baumlichter ein, und sie reflektieren die silbrig schimmernden Nadeln. Jetzt herrscht Weihnachtsstimmung. Sie schenkt sich noch einen Kaffee ein und setzt sich auf den Fußboden vor das Feuer. Mit der Hand streift sie über Detours Haare auf dem Teppich.
Dann hört sie Owen am Telefon brüllen. Sie kann nicht ausmachen, was er sagt, nur Husten und ein gedämpftes
Ja
und
ich auch, ja, ja, ja
.
Er legt auf und geht ins Bad, und sie hört die Dusche laufen und seine bloßen Füße in der Wanne quietschen, als er sich darin umdreht.Nach einer Weile geht das Wasser aus und das Apothekenschränkchen auf. Er muss das Päckchen mit neuen Zahnbürsten gefunden haben, denn dann kommt das vertraute Geräusch, wie er sich die Zähne putzt. Er klopft damit an das Waschbecken, als er fertig ist, und sie hört, wie er die Bürste in den Halter über dem Waschbecken steckt. Wieder öffnet sich das Apothekenschränkchen, und als Nächstes hört sie ihn gurgeln, husten und spucken und das Wasser laufen. Dann ist es wieder still.
Sie hat ein mausgroßes Büschel Hundehaare vom Teppich aufgesammelt, als er in seinen zerknautschten Kleidern in die Küche geht. Er schenkt sich Kaffee ein. Der kann unmöglich schmecken nach dem Putzen und Gurgeln, denkt sie, doch diese Gedanken sind hauchdünn wie eine Pfirsichhaut.
Was hat sie gesagt? Was will sie? Was machst du hier?
Er hält seinen Becher und linst ins Wohnzimmer zu dem Baum und dann zum Feuer hin. Annie sieht er nicht an.
»Ich war eben draußen, den Baum von Smiley holen. Nicht übel für fünf Dollar. Wahrscheinlich ist das der einzige, den er heute verkauft. Guck mal nach draußen.«
Er wischt sich den Schlaf aus den Augenwinkeln und späht durch das ovale Glas in der Tür. »Gott. Tess hat nicht übertrieben mit dem Schnee.«
Tess
. Annie drückt das Fell in ihrer Hand.
Er trinkt seinen Kaffee, schmatzt und geht ins Wohnzimmer. »Wie kommt der Land Cruiser damit klar?«
»Gut«, sagt sie und geht an ihm vorbei in die Küche mit ihrer Tasse und einer Hand voller Fell, das sie in den Müll unter der Spüle wirft. Sie stellt die Tasse ab, dreht sich um und lehnt sich mit verschränkten Armen an die Arbeitsplatte. »Was machst du hier?«
Er sitzt auf dem Sofa und starrt auf den Baum. Die Lichter spiegeln sich in seinem Gesicht und dem Becher, und er richtet sich auf, als sein Blick auf ihre Gitarre fällt. »Wie läuft es denn mit den neuen Songs?« Er hustet, aber das klingt nicht mehr halb so schlimm wie gestern. Er sieht sie immer noch nicht an.
Sie hebt ihre Tasse hoch und stellt sie wieder ab, ohne zu trinken. »Ich habe dich etwas gefragt.«
Er starrt ins Feuer. »Es gibt eine Million Gründe und überhaupt keinen dafür, dass ich hier bin, Annie.«
»Fangen wir mal mit dem ersten an.«
»Calder«, sagt er, ohne zu zögern, und sie spürt, wie der Kaffee in ihrem Magen an eine Stelle sickert, von deren Existenz sie bisher nichts ahnte.
»Calder«, wiederholt sie.
»Ja.« Er sieht in den Flur zurück, als ob er an das Telefon und
Tess
denken würde, noch frisch in seinem Ohr, im Kopf, im Herzen.
»Sieh mich an.« Sie geht auf ihn zu.
Seine Kiefermuskeln spannen sich an. Er wendet sich nicht vom Feuer ab.
Sie kniet auf dem Fußboden vor seinen Knien und legt ihre Hand auf seinen Arm. Das Feuer und die Baumlichter spiegeln sich im Rot seiner Augen.
»Sieh mich an und sag mir, warum du hier bist.«
»Ich wollte nie von hier weg.«
»Danach habe ich dich nicht gefragt.«
»Ich hatte das Gefühl, keine Wahl zu haben.«
»Du tust so, als hätte ich dich rausgeworfen.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Was denn? Sieh mich
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