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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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groß, dass sich die Zweige bogen, wenn sie hochflogen. Annie zeigte ihm eine natürliche Laube im Gestrüpp, wo sie oft saß und auf ihrer Gitarre spielte. Sie setzten sich, und er erzählte, warum er immer wieder weggelaufen war, vor seinem Vater und den Prügeln. Sie erzählte ihm von ihrem eigenen Vater, wie er ihr im Lauf der Zeit immer mehr fehlte, und wie dann ihre Mutter gewissermaßen verschwand und Annie selbst sich auch als Ausreißerin fühlte, die sich selbst um alles kümmern musste. Er sagte, als er jünger war, habe er davon geträumt, seine ganze Farm dem Erdboden gleichzumachen und ganz neu anzufangen, nach einem Plan, der so klar und real in seinem Kopf war, dass er noch die Eckverbindungen der Holzbalken vor sich sah. Er sagte, er denke immer noch oft daran, Gebäude von Grund auf zu bauen, und das sei für ihn so wie für sie die Musik, nämlich etwas aus dem Nichts zu schaffen.
    »Dabei fällt mir ein«, sagte er, »dass ich dir was mitgebracht habe.«
    »Doch nicht etwa noch einen Weihnachtsstern?«
    Grinsend griff er in seine Tasche und zog einen Stift heraus. Es war ein echter Füllfederhalter, glänzend und silbern mit einer Verschlusskappe, die angenehm klickte, als er sie aufspringen ließ, um ihr die elegante schwarze Feder zu zeigen.
    »Damit kannst du deine Songs schreiben.«
    Die Sonne schien durch die Bäume, als ob die ganze Natur ihnen leuchtete. Dort auf dem weichen Bett aus Nadeln, das nach Gin duftete, flutete alles Gute, das sie verloren hatte, in Wellen zu ihr zurück.

FÜNFUNDZWANZIG
    Als Calder den Telefonhörer abhebt und der Bildschirm angeht, kommt ihm das Gesicht, das ihn ansieht, vertraut vor; doch es dauert einen Moment, bis es ihm dämmert, teils weil das Gesicht in den Jahrzehnten, seit er es zuletzt gesehen hat, gealtert ist, doch hauptsächlich, weil es so aus dem Zusammenhang gerissen ist. In der kurzen Zeitspanne, die ihm zum Nachdenken bleibt, findet er keinen Grund, warum Joshua Pinckney das Telefon ans Ohr halten und ihm sein bescheidenes Lächeln durch den Bildschirm schicken sollte.
    »Calder?«
    Das Haldol kann nicht verhindern, dass Calders Schulter zuckt und sein Körper hinter den Stuhl springt. Calder klammert sich an die Rückenlehne und holt tief Luft. Ms Thompson hat ihn ermahnt, ruhig zu bleiben. Er holt noch einmal Luft, nickt und lässt sich wieder auf den Stuhl sinken. »Was zum Teufel …?«, sagt er ins Telefon.
    »Glaub mir, ich bin genauso überrascht, hier zu sitzen, wie du.«
    Calders Augen werden von einer Zwinkerattacke heimgesucht, und plötzlich hört er Joshua aus den Tagen, als er noch Josh war.
Zappelst du so, weil du behindert bist oder was?
    »Also«, sagt Joshua. »Hättest du was dagegen, wenn wir uns ein bisschen unterhalten?«
    Calder zwinkert ohne Ende.
    »Ich will mit dir reden. Hast du was dagegen?«
    »Ja. Nein. Weiß ich nicht.«
    Joshua wendet sich ab. Er dreht sich wieder um. »Es ist wichtig.«
    Calder presst die Knie zusammen, um sie stillzuhalten. Er hat ein Problem damit, Joshua in die Augen zu sehen, und deshalb konzentriert er sich auf sein teuer aussehendes Hemd, ein Anzughemd in der Farbe von Salbei. Kleine Perlmuttknöpfe schillern unter den Lampen. Endlich blickt Calder ihm ins Gesicht. Keine Frage, er hat sich verändert. Wenn Calder ihn für Annie beschreibt, wird er sagen, dass es mehr ein Gefühl als das Aussehen ist. Seine Ausstrahlung. Man hat das Gefühl, einen Mann von Welt vor sich zu haben. Einen Mann, der viel durchgemacht und gut überstanden hat. »Ich kann dich jetzt wohl nicht von hier weglassen, ohne herauszufinden, warum du hier bist«, sagt Calder.
    Joshua grinst. »Wie gehts dir, Calder?«
    Calder lacht. »Jeder, der hierherkommt, fragt mich das. Ihr alle wisst die Antwort, aber ihr fragt trotzdem. Mir gehts gut. Einfach gut.«
    »Hm.«
    »Gut angesichts der Tatsache, dass ich bald hingerichtet werde für eine Tat, die ich nicht begangen habe. Den Teil lasse ich meistens aus.«
    »Du bist etwas voreilig. Es ist noch nicht mal zum Prozess gekommen.«
    »Nein. Aber ich sehe nicht, dass sie noch sonst jemanden verhaften.«
    Joshua scheint plötzlich von Kältekopfschmerzen heimgesucht zu werden.
    »Weißt du, dein Bruder ist teilweise daran schuld, dass ich hier drin bin. Er verspürte den Drang zu übertreiben, was ich ihm von Magnus erzählt habe.«
    »Ich weiß. Aus dem Grund bin ich gekommen. Das ist einer der Gründe.«
    Joshuas Anblick lässt Calder die Schäbigkeit dieses Ortes

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