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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Geld, solche Sachen zu kaufen. Sie ging von Stadt zu Stadt. Entfernungen spielten keine Rolle, sie gelangte ja schnell von einem Ort zum anderen. Sie war sich sicher, dass sie ihn finden würde.«
    Â»Und ist es ihr gelungen?« Die Geschichte nahm mich so gefangen, dass sie schon zu meiner eigenen geworden war.
    Â»Ich glaube ja«, sagte Lia. »Denn eines Tages kam sie nicht wieder zurück.«
    Â»Und du? Was wurde aus dir? Wo bist du jetzt?«
    Auf diese Frage bekam ich nie eine Antwort.
    Jetzt versuche ich, mich an diese Zeit zu erinnern – und alles kommt mir vor wie etwas, das in einem Traum geschehen ist. Man weiß, man hat bestimmte Sachen gesagt und getan, die einem in der Situation vernünftig erschienen, aber bei Tageslicht wirken sie ganz anders. Im Rückblick wird mir klar, dass ich keine Verbindung zur Realität gehabt habe. Ich lebte zwar mit meiner Familie in Cliff House, aber es konnten ganze Tage vergehen, in denen mir die Existenz der anderen gar nicht bewusst war.
    Meine Eltern machten sich Sorgen. Ich konnte es ihren Gesichtern ansehen und ich hörte es an ihren Stimmen.
    Â»Es ist doch nicht das Ende der Welt, wenn man mit seinem Freund Schluss macht, Schatz«, sagte Mom. »Du lernst aus den Erfahrungen. Wenn der Richtige für dich kommt, wirst du ihn nur noch mehr lieben können, weil du schon einmal üben konntest.«
    Mein Vater war weniger zartfühlend.
    Â»Reiß dich zusammen«, sagte er. »Wenn den Mädchen in meinen Romanen das Herz gebrochen wird, gebe ich ihnen genau eine Woche, um wieder auf die Beine zu kommen. Wenn sie dann immer noch herumjammern, bringe ich ein Monster aus dem All ins Spiel, das sie von ihrem Elend erlöst.«
    Â»Ich jammere nicht herum«, sagte ich. »Dafür, dass wir Schluss gemacht haben, war ich ebenso verantwortlich wie Gordon.«
    Ich sah ihm an, dass er mir kein Wort glaubte.
    In der Schule konnte ich mich nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren. Ich hing Tagträumen nach, streifte ziellos durch die Flure und kam mir vor wie in einem fremden Land. Meine Zensuren sackten ab. In Algebra bekam ich die erste Vier meines Lebens.
    Einige meiner Lehrer waren besorgt. Andere einfach nur genervt.
    Â»Es ist noch zu früh im Jahr, sich auf den Lorbeeren auszuruhen«, kommentierte meine Algebralehrerin.
    Ich nickte, was sollte ich auch sonst machen? Eine Entschuldigung hatte ich nicht anzubieten. Wie hätte ich erklären sollen, dass ich mich an den Abenden, an denen ich angeblich lernte, mit dem astralen Abbild meiner Schwester traf?
    Helen war der einzige Mensch, mit dem ich reden konnte. Sie war gewissermaßen das Gefäß, in das ich all meine neuen Erkenntnisse schütten konnte, an ihr testete ich all die seltsamen Gedanken aus, die in meinem Kopf für andauernde Verwirrung sorgten. Und ich hatte erwartet, dass sie mit dem gleichen Staunen und der gleichen Aufregung reagieren würde, die ich empfand.
    Stattdessen wirkte sie alles andere als begeistert.
    Â»Es ist nicht gut für dich, wenn du dich so in diese Sache reinsteigerst«, sagte sie. »Mrs Kelly hatte ganz recht in ihrem Brief. Dieser Teil deines Lebens liegt hinter dir. Genauer gesagt: eigentlich ist das nie ein Teil deines Lebens gewesen. Du warst erst ein paar Wochen alt, als die Strattons dich adoptiert haben. Was auch immer Lia und ihre Mutter erlebt haben mögen, ist Teil ihrer Geschichte, du hast nichts damit zu tun.«
    Â»Diese Frau war genauso meine Mutter wie die von Lia«, sagte ich. »Selbstverständlich ist mir wichtig, was mit ihr passiert ist. Das Ganze ist wie in einem Liebesroman. Eine schöne verlassene Frau sucht die ganze Welt nach dem Mann ab, den sie liebt.«
    Â»Das finde ich nicht die Spur romantisch«, meinte Helen, »nur traurig und blöd.«
    Â»Was willst du damit sagen?«
    Â»Eine Frau verlässt ihren Ehemann und geht mit einem anderen, sie wird schwanger und er lässt sie sitzen«, sagte Helen sachlich. »Passiert immer wieder. Die echte Geschichte ist in meinen Augen die deiner Adoptiveltern.«
    Â»Ich werte sie doch nicht ab, wenn ich mich für meine andere Familie interessiere«, verteidigte ich mich. »Lia ist mein Zwilling. Sie ist mir näher als sonst jemand auf der Welt.«
    Â»Du weißt überhaupt nichts von ihr«, sagte Helen.
    Â»Wie kannst du so was sagen? Ich kenne mich selbst, oder etwa nicht? Wir sind absolut

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