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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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gleich.«
    Â»Im Aussehen«, sagte Helen. »Aber sonst nicht. Deine Mutter hat den Unterschied gespürt. Deshalb hat sie beschlossen, nur dich zu adoptieren. Ich hab es auch gespürt, in dieser Nacht, die ich in Cliff House verbracht habe.«
    Â»Du bist doch nur eifersüchtig«, warf ich ihr vor. »Du willst nicht, dass ich eine Freundin habe, die mir nähersteht als du.«
    Es war gemein, so etwas zu sagen. Ich konnte in Helens Augen sehen, wie verletzt sie war, aber ihre Stimme zitterte nicht.
    Â»Vielleicht stimmt das«, gab sie zu. »Aber es steckt mehr dahinter. Ich habe Angst um dich, Laurie. Du sitzt zu tief drin in dieser Sache. Und das ist gefährlich.«
    Das war am Freitag.
    Samstags schlief ich lange. Es war Viertel nach zehn, als Mom mich weckte und mir erzählte, Helen sei in einem kritischen Zustand ins St. Josephs Hospital eingeliefert worden.

ZEHN
    DAD LIESSEN WIR ZU HAUSE BEI Meg und Neal, Mom und ich nahmen die Elf-Uhr-Fähre zum Festland. Drüben am Pier winkten wir uns ein Taxi heran und fuhren zum Krankenhaus.
    Der Verkehr war dicht, auf den Bürgersteigen drängten sich Horden von Leuten, die Weihnachtseinkäufe machen wollten. Durch das schmutzige Fenster des Taxis schaute ich sie an. Ich fühlte mich, als würde ich aus einem Traum erwachen. So lange war ich nur auf meine eigenen Angelegenheiten konzentriert gewesen – dabei war mir völlig entgangen, dass Weihnachten immer näher rückte. Und jetzt war es plötzlich überall. Funkelnde bunte Lichterketten spannten sich kreuz und quer über alle großen Straßen, bärtige Weihnachtsmänner von der Heilsarmee ließen an jeder Ecke ihre Glocken bimmeln. Lautsprecher schmetterten fröhlich Weihnachtslieder und an dem riesigen Tannenbaum im Foyer des St. Joseph Hospital glänzten rote Schleifen und Zuckerstangen.
    Wir meldeten uns am Infotresen und fuhren dann mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock hoch. Der erste Mensch, dem wir dort begegneten, als die Türen aufgingen, war Jeff Rankin. Er saß zusammengesunken auf einem Stuhl vor den Fahrstühlen und schien mit seinem Sitzplatz verschmolzen zu sein und Wurzeln geschlagen zu haben. Seine Augen hatten diesen typischen Glanz, der von Schlafmangel herrührt. Wie lange er wohl schon da war? Und wie hatte er so viel früher als ich von Helens Zustand erfahren können?
    Â»Wie geht es ihr?«, fragte ich ihn sofort.
    Â»Nicht gut.« Es schien ihn nicht zu überraschen, uns zu sehen. »Sie ist bewusstlos, seit sie heute Morgen um sieben eingeliefert wurde.« Er hielt inne. »Ihre Eltern sind da drüben in so einer Art Wartezimmer, gegenüber der Intensivstation. Jede Stunde dürfen sie für fünf Minuten zu ihr rein.«
    Â»Oh Gott«, sagte Mom leise. »Wie furchtbar.«
    Sie legte den Arm um mich, und wir gingen zusammen den Flur entlang zu der Tür, auf die Jeff gezeigt hatte. Sie stand offen. Die Tuttles waren allein in dem kleinen Raum, Seite an Seite saßen sie auf einem braunen Ledersofa.
    Als ich ihnen zum ersten Mal begegnet war, fand ich, dass sie zu jung aussahen, um eine Tochter in der Abschlussklasse der Highschool zu haben. Das konnte ich jetzt nicht mehr sagen. Sie waren um Jahre gealtert.
    Mrs Tuttles Augen waren rot geweint. Sie schien einen Moment zu brauchen, bis sie mich erkannte, und dann sagte sie mit völlig ausdrucksloser Stimme: »Oh, das ist ja Laurie.«
    Â»Ich habe die Strattons vor ein paar Stunden angerufen«, sagte Mr Tuttle. »Ich dachte, Helens beste Freundin sollte es nicht aus der Zeitung oder den Nachrichten erfahren. Es war gut von dir herzukommen, Laurie.« Er schaute an mir vorbei. »Ist das deine Mutter?«
    Â»Ja. Ich bin Shelly Stratton«, sagte meine Mutter, bevor ich sie vorstellen konnte. »Es tut mir so leid, dass Helen einen Unfall hatte. Sie ist so ein herzlicher, lieber Mensch. Sie muss einfach wieder gesund werden.«
    Â»Halten Sie nur an diesem Gedanken fest«, sagte Mr Tuttle. »Man muss positiv denken. Das ist das Einzige, was wir im Moment tun können. Sie hat gute Ärzte. Sie tun alles für sie, was sie können. Und sie ist stark. Wenn sie das nicht wäre, hätte sie die Unterkühlung nicht überlebt.«
    Â»Was genau ist eigentlich passiert?«, fragte ich. »Sie haben meiner Mutter ja nicht viel erzählt, nur dass Helen gestürzt ist und sich am Kopf verletzt

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