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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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drittes Blech schob er gerade in den Backofen. Neals goldener Seestern trocknete auf einer alten Zeitung – und da sein erster Versuch so ein Erfolg gewesen war, hatte er sich jetzt mit Feuereifer an das Vergolden einer großen Muschel gemacht. Mom saß entspannt im Sessel und tat gar nichts, sie ließ schlaff die Arme hängen und sah glücklich aus, so wie immer wenn sie ein Projekt abgeschlossen und das nächste noch nicht begonnen hatte.
    Â»Jeff hat gerade angerufen«, sagte ich. »Ich habe ihn zum Essen eingeladen. Das ist doch hoffentlich in Ordnung?«
    Â»Ist das der Typ, der neulich Abend da war und nicht hochkommen wollte?«, fragte Dad. »Was ist das eigentlich für einer? Das ist ja immerhin ein besonderer Abend heute.«
    Â»Das ist der Rankin-Junge, Jim«, sagte Mom. »Du weißt schon, der, der sich vor ein paar Jahren so schlimme Verbrennungen zugezogen hat?«
    Â»Der Junge von Pete Rankin? Klar, den kenn ich. Ich hab ihn im Dorf gesehen.« Er wandte sich an mich. »Ist das ein besonderer Freund von dir, Laurie?«
    Â»Ja«, sagte ich und war selbst überrascht von der Bestimmtheit meiner Antwort. »Sein Vater ist heute Abend nicht zu Hause, da dachte ich …«
    Â»Selbstverständlich«, sagte Mom. »Jeff ist ein netter Junge. Ich bin froh, dass du dran gedacht hast, ihn einzuladen. Wann kommt er?«
    Â»Halb sechs, hab ich gesagt. Aber das heißt nicht, dass wir dann auch essen müssen. Er kocht bei sich zu Hause, wir können ihn also in der Küche einsetzen.«
    Â»Diese Männerwirtschaften!«, rief Dad laut. »Wie können Menschen ohne so etwas überleben? Wenn wir nicht da wären, um jeden Abend das Essen für die Familie anbrennen zu lassen …«
    Â»Jim, hör auf damit«, gab Mom zurück. »Wir haben schon ewig nichts mehr anbrennen lassen.«
    Â»Natürlich nicht. Wir haben ja auch nur noch belegte Brote bekommen.«
    Â»Wir haben alle sehr viel zu tun. Du auch, möchte ich nur anmerken!« Und dann fingen sie an, sich zu zanken und gegenseitig zu necken, so wie immer, wenn sie beide bester Laune waren. Neal schaute von seiner Arbeit auf und grinste. Ich zwinkerte ihm zu, mit einem Mal war ich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Auf dem Weg aus der Küche klaute ich mir ein Plätzchen.
    Auf dem Weg nach oben, schaute ich zu Meg rein, die auf einem Stuhl stand und den Weihnachtsbaum noch einmal nachrüstete, und ging dann weiter in mein Zimmer. Das Erste, das mir dort auffiel, war das Licht. Ein ganz komisches Licht, das schräg durch die Glastür in den Raum fiel und zwischen den Wänden hin und her flitzte, dass einem ganz schwindelig werden konnte. Ich blieb stehen und blinzelte. Meine Augen fühlten sich ganz seltsam an, die Pupillen schienen sich in raschem Wechsel zu dehnen und wieder zusammenzuziehen. Ich blinzelte wieder, schloss die Tür und ging rüber zum Bett.
    Dort setzte ich mich ans Fußende und plötzlich schaute ich zu Lia auf.
    Sie war da, stand vor mir, am helllichten Tag, am frühen Nachmittag. Sie war da, nicht als Schatten, nicht als Megans Geisterdings, sondern ganz echt. Wie zum Anfassen. Keinen Schritt von mir entfernt.
    Â»Warum hast du diesen Jungen zu dir eingeladen?«, verlangte sie zu wissen.
    Ich starrte sie an und war ganz überwältigt davon, dass sie hier in dieser Form vor mir stand. Ich hatte beinahe das Gefühl, die Hand ausstrecken und sie berühren zu können.
    Â»Weil ich wollte, dass er kommt«, sagte ich.
    Â»Warum?«
    Â»Weil … na, er hat die Bücher …«
    Â»Er kann nicht kommen!« Ihre Augen funkelten, diese mandelförmigen Augen, die den meinen so ähnlich, aber doch so völlig anders waren. Meine Augen könnten nie so aussehen, das wusste ich. Ich würde es auch nie wollen, das wusste ich auch. Die Wut in ihrer Stimme war stärker und geballter als die, die ich vorher schon einmal wahrgenommen hatte.
    Plötzlich überfiel mich die Angst, aber ich versuchte, meine Stimme nicht zittern zu lassen.
    Â»Ich mag Jeff. Und ich werde mich so oft mit ihm treffen, wie ich will.«
    Â»Er gehört nicht in dein Leben!«
    Â»Wenn ich ihn in meinem Leben haben möchte, dann gehört er auch dahin!«, antwortete ich trotzig. Das war eine ganz andere Art von Konfrontation, als wir sonst hatten. Kein Schild aus Dunkelheit trennte uns. Ich wollte mich nicht

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