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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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machte die Augen zu. Ich hatte gar nicht vor zu schlafen, aber als ich die Augen wieder aufschlug, war das seltsam funkelnde Licht verschwunden und Schatten hatten sich über den Raum gelegt.
    Es ist schon nach halb sechs , dachte ich. Mühsam kam ich wieder zu Bewusstsein. Jeff ist wahrscheinlich schon da. Ich sollte runtergehen und ihn begrüßen. Es ist unhöflich, jemanden, der noch nie hier gewesen ist, beim Smalltalk mit der Familie sich selbst zu überlassen.
    Aber als ich mir ein frisches Shirt angezogen, die Haare gebürstet und nach unten gegangen war, stellte ich fest, dass ich keinen Grund zur Sorge hatte. Jeff war noch nicht da.
    Um Viertel nach sechs rief ich ihn an. Keine Antwort.
    Â»Dann muss er auf dem Weg zu uns sein«, sagte ich zu Mom.
    Â»Dann ist ja alles gut«, sagte sie. »Vor halb sieben wollten wir sowieso nicht essen.«
    Um Viertel vor sieben war Jeff immer noch nicht eingetroffen. Ich rief an und lauschte dem Rufzeichen, das immer wieder durch ein leeres Haus schrillte. Er meldete sich nicht.
    Um zehn nach sieben setzten wir uns zum Essen hin.
    Â»Ist das so, wenn man sitzen gelassen wird?«, fragte Meg interessiert.

DREIZEHN
    DER WEIHNACHTSTAG BEGANN früh für uns, bei Familien mit kleinen Kindern muss das so sein. Neal und Megan waren schon im Morgengrauen in meinem Zimmer. Sie hüpften auf mein Bett und rissen mich mit ihrem aufgeregten Gekreisch aus dem Schlaf.
    Â»Der Weihnachtsmann war da!«, quietschte Meg. »Die Strümpfe sind ganz voll!«
    Â»Sie hat schon nachgesehen«, sagte Neal herablassend, schließlich war er elf und dementsprechend abgeklärt. Aber dann fügte er noch ehrlich hinzu: »Ich aber auch. Der Haufen Geschenke unter dem Baum ist über Nacht gewachsen.«
    Zwar war es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie in ihrem Alter noch richtig an den Weihnachtsmann glaubten, aber der Spaß bestand darin, das auf keinen Fall zuzugeben. »Wenn niemand mehr an den Weihnachtsmann glaubt, dann kommt er nicht mehr«, hatte Dad uns immer erzählt. »Dann ist Schluss mit den Strümpfen am Kamin.« Angesichts dieses Ultimatums hatte ich unerschütterlichen Glauben geheuchelt, bis ich fast dreizehn war.
    Sogar jetzt empfand ich diese Vorfreude noch, und ich konnte immer noch staunen über das Weihnachtswunder, das sich jedes Jahr von Neuem vollzog. Es hatte einfach etwas Magisches, am Weihnachtsmorgen aufzustehen und festzustellen, dass irgendwann nachts, während ich geschlafen hatte, Geschenke aufgetaucht waren.
    Aber dieser Morgen war anders. Ich war müde und mir war alles egal. Das blasse Grau des Himmels hinter der Balkontür erweckte in mir nur den Wunsch, mich umzudrehen und das Gesicht ins Kissen zu drücken.
    Â»Die Sonne ist noch nicht mal aufgegangen«, fuhr ich die beiden an. »Geht doch wieder ins Bett, in einer Stunde sind die Geschenke auch noch da.«
    Â»Aber es ist Weihnachten!«, protestierte Neal. »Dad und Mom stehen auch auf. Und wir sollen dich wecken, haben sie gesagt.«
    Das klang so verblüfft, dass ich sofort Schuldgefühle bekam, weil ich mich aufführte wie der Weihnachtsschreck persönlich.
    Â»Okay«, sagte ich sanfter. »Lauft schon mal runter und fangt an. Ich komme gleich nach, wenn ich richtig wach bin.«
    Sie zischten ab wie Läufer beim Startschuss, und ich ließ mich wieder aufs Kissen fallen, wo ich gegen das Verlangen ankämpfte, mir die Decke über den Kopf zu ziehen und mich in tiefen Schlaf zu flüchten.
    Doch das ging nicht. Jetzt war ich wach. Ich musste dem Tag ins Auge schauen und damit auch der krassen Tatsache, dass ich – wie Meg so unverblümt gesagt hatte – »sitzen gelassen« worden war. So was war mir noch nie passiert. Gordon mochte ja Macken haben, aber er war wenigstens zuverlässig gewesen. Wenn ich mich mit ihm zu irgendeiner Unternehmung verabredet hatte, dann war auch was daraus geworden.
    Â»Rankins Jungen sollte man mal Manieren beibringen«, hatte Dad gestern Abend gesagt, als er versucht hatte, das Tranchiermesser in einen Schweinebraten zu rammen, der zu einem ausgetrockneten Klumpen verschrumpelt war. »Er hätte doch wenigstens anrufen und absagen können, wenn er was anderes vorhatte. Dann hätten wir gegessen, solange man das Fleisch noch kauen konnte.«
    Â»Vielleicht war ihm nicht klar, dass Laurie ihn für heute Abend eingeladen hat«, sagte Mom. »Er dachte

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