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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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doch!« Lias Hartnäckigkeit machte mir allmählich Angst. Vorher, als sie noch sanft gewesen war und mich unterstützt hatte, hatte ich sie lieber gemocht.
    Â»Wenn du es willst, dann tu es!« Der Befehl schien den Raum bis in den letzten Winkel auszufüllen.
    Â»Ich bin müde.«
    Â»Das ist egal, du musst es weiter versuchen. Anders geht es nicht.«
    Und so nahm ich einen neuen Anlauf – und scheiterte wieder. Dieses Mal wusste ich, dass es mir nicht gelingen würde, denn ich hatte einfach keine Kraft mehr. Lia musste das auch endlich begriffen haben, denn sie zog sich zurück. Sie sagte mir nicht, dass sie gehen würde, aber ich spürte, wie ihre Präsenz sich verflüchtigte. Ich fühlte mich plötzlich friedlich und entspannt – und schlief ein.
    Der nächste Tag war der 24. Dezember. Unser Baum stand schon seit mehr als einer Woche geschmückt im Wohnzimmer, aber Neal und Megan fanden immer neue Sachen zum Dranhängen. Meg verbrachte den ganzen Morgen damit, eine lange Kette aus Buntpapierringen in Rot und Gold zusammenzukleben und um die überladenen Zweige zu wickeln. Neal saß indessen am Küchentisch und vergoldete den größten Seestern seiner Sammlung, weil der auf die Spitze gesetzt werden sollte. Dad schaltete seinen Computer aus und backte zur Feier des Tages Kekse. Das macht er gelegentlich, er ist nämlich ziemlich vernascht. Mom, die tags zuvor mit dem Ölgemälde für Natalies Eltern fertig geworden war, gab ihren Morgen dafür her, Mr Coleson bei der Wahl eines Bilderrahmens zu helfen.
    Ich packte meine Geschenke für die Familie ein (Meg hatte ihre sofort nach unserer Einkaufstour verpackt) und legte sie gerade zu den anderen unter den Baum, als Mr Coleson die Treppe von Moms Atelier herunterkam und in der Tür zum Wohnzimmer stehen blieb.
    Â»Wie gefällt es dir?«, fragte er und präsentierte mir seinen Kauf so stolz, als hätte er das Bild selbst gemalt. »Deine Mutter fand, das natürliche Holz würde es am besten zur Geltung bringen, und nachdem ich ein paar der weniger schlichten Rahmen ausprobiert habe, muss ich ihr recht geben.«
    Â»Ist wirklich schön«, pflichtete ich ihm bei.
    Der Rahmen, den sie gewählt hatten, war in einem wettergegerbten Grau gehalten, das aussah wie Treibholz. Das Meer auf dem Bild war auch grau, in vielen Schattierungen, mit weißen Schaumkronen auf den Wellen. Im Vordergrund sah man ein Kind in einem gelben T-Shirt, von hinten war die Ähnlichkeit mit Neal ziemlich groß. Er lehnte an einem Verandageländer, das aus demselben Holz zu sein schien wie der Bilderrahmen.
    Â»Finde ich auch.« Voller Besitzerstolz strahlte Mr Coleson das Bild an. Dann fragte er ganz freundlich: »Wie geht es dir denn so, Laurie? In letzter Zeit habe ich dich ja nicht oft gesehen. Du kommst doch heute Abend zu Natalies Weihnachtsparty, oder?«
    Â»Oh … nein … ich glaube, das wird nicht gehen«, sagte ich. »In unserer Familie verbringen wir den Heiligabend immer zu Hause.«
    Â»Das ist ja schön«, sagte Mr Coleson. »Manchmal wünschte ich, Natalie wäre etwas weniger gesellig. Immerzu nur Party, Party, so geht das die ganzen Ferien. Aber so sind die jungen Leute wohl. Manchmal scheint es nur ein bisschen zu viel des Guten zu sein.«
    Â»Ich mag Partys«, sagte Megan, die vor dem Kamin auf dem Fußboden saß und ihre Kette zusammenklebte. »Ich werde zu jeder Party gehen, die es gibt.«
    Â»So sieht Natalie das auch«, sagte Mr Coleson gutmütig. »Na ja, frohe Weihnachten, Mädels!«
    Â»Frohe Weihnachten«, antworteten Meg und ich mit unterschiedlich starkem Enthusiasmus.
    Als Mr Coleson sein Bild unten im Auto verstaut hatte, drehte Meg sich zu mir um und musterte mich verwundert.
    Â»Warum gehst du denn nicht dahin? Mom und Dad würden es dir bestimmt erlauben. Erst neulich hab ich gehört, wie sie drüber geredet haben, dass du nirgendwo mehr hingehst.«
    Â»Ich geh nicht«, sagte ich, »und das hat den ganz einfachen Grund, dass ich nicht eingeladen bin.«
    Â»Warum hast du das denn nicht gesagt?«
    Â»Mr Coleson wollte doch nett sein«, sagte ich. »Ich wollte ihn nicht in eine peinliche Situation bringen.«
    Â»Bist du nicht eingeladen, weil du mit Gordon Schluss gemacht hast?«
    Â»Wahrscheinlich«, sagte ich. »Die waren nett zu mir, weil ich seine Freundin war, und jetzt

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