Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
Vom Netzwerk:
noch einmal. »Pass auf!«
    Â»Ist ja gut«, sagte der Mann beruhigend. »Liebling, du hast geträumt.«
    Â»Kathy!«
    Â»Das ist ein Traum, nur ein Traum.« Er zog sie an sich und wiegte sie hin und her wie ein kleines Kind. »Ganz ruhig jetzt. Schlaf wieder ein.«
    Â»Ein Traum?«, murmelte die Frau unsicher. »Oh. Art, das war so echt.«
    Â»Ich weiß. Das ist es immer. Aber es war nur ein Traum, Schatz.«
    Er wiegte sie weiter im Arm. Sie legte den Kopf an seine Brust und fing an zu weinen.
    Ich bewegte mich an den beiden vorbei zum zweiten Schlafzimmer. Das war eindeutig unbewohnt. Die Bettwäsche war abgezogen worden und das Bett war nur von einem weißen Tuch bedeckt. Der Schrank war so leer, dass nicht mal ein Stäubchen oder ein Faden den Schluss zuließen, dass hier je Kleider gehangen hatten.
    Ein Gästezimmer? Vielleicht. Und doch war hier irgendwas … Diesen Raum mochte ich nicht. Ich ging zum nächsten. Auch hier war niemand, aber es sah so aus, als sei er vor gar nicht langer Zeit von jemandem bewohnt worden, der vorhatte, wieder zurückzukommen. Schminksachen waren achtlos über die Kommode verteilt worden, und auf dem Tisch stapelten sich Bücher und Papiere, die offenbar für irgendein Referat gebraucht wurden. Auf dem Sekretär waren einige silberne Pokale aufgereiht und darüber hing eine Pinnwand, die mit Siegerschleifen von verschiedenen Pferdesportveranstaltungen geschmückt war. Im Schrank gab es weit weniger Kleider als Jeans und karierte Hemden. Auf dem zerwühlten Bett lag ein Highschool-Jahrbuch, es war aufgeschlagen, anscheinend hatte die Leserin es gerade durchgeblättert, als sie zu einer interessanteren Tätigkeit abberufen worden war.
    Ich bewegte mich näher ans Bett heran und schaute mir die Fotos aus dem »1. Jahr der Highschool von Sandia« an. Aus der obersten Reihe lächelte mich das Mädchen an, deren Foto im goldenen Rahmen im Wohnzimmer stand. Unter ihrem Bild war ein Name abgedruckt: KATHERINE ABBOTT .
    Das nächste Foto in der Reihe hätte eins von mir sein können. Darunter stand: LIA ABBOTT .

ACHTZEHN
    BEI MEINER RÜCKKEHR NACH Cliff House war der Tag noch nicht erwacht. Das Morgengrauen war gekommen und gegangen, aber die Sonne schien nicht zum Himmel aufgestiegen zu sein. Dicke Wolken hingen so tief, dass die Sicht aufs Blau völlig verdeckt war. Das Licht, das durch die schweren Lagen von Grau sickerte, war trübe wie Abwaschwasser. Von meinem Bett aus konnte ich sehen, dass der Balkon hinter der Glastür schneebedeckt war.
    Eine Zeitlang lag ich einfach nur da und bemühte mich, meine Gedanken irgendwie zu ordnen. Wo war ich gewesen? Weit weg, zwei Zeitzonen von hier entfernt, an einem Ort, an dem der Winter seltsam und still war. Die Kälte dort war trocken gewesen und hatte sich frisch und fremd angefühlt und der Sternenhimmel hatte sich wie ein riesiges Zeltdach über mir gewölbt.
    Im Geist ging ich dorthin zurück und versuchte die Bilder und Gefühle einzuordnen. In dem Haus, das ich besucht hatte, hatte Lia einmal gewohnt. Das wusste ich genau, ebenso wie ich wusste, dass sie jetzt nicht mehr dort lebte. Die Aura ihrer Präsenz war verblasst. Nein, das war nicht das richtige Wort, »verblasst« klang so sanft und natürlich, war etwas, das sich im Laufe der Zeit ganz normal ergab. In diesem Fall hatte ich das Gefühl, dass geballte Anstrengungen unternommen worden waren, etwas auszulöschen.
    Es gab so viele unbeantwortete Fragen. Wer war dieses Paar im Schlafzimmer gewesen? Warum hatte die Frau geweint, und was war das für ein Traum gewesen, den ihr Mann so gut zu kennen schien, dass es keiner weiteren Erläuterung bedurfte? Die Kathy, nach der sie gerufen hatte, musste die Katherine Abbott aus dem Highschool-Jahrbuch sein, das blonde Mädchen mit dem süßen Gesicht und dem hinreißenden Lächeln. Das Zimmer mit den Reitauszeichnungen war wahrscheinlich Kathys Zimmer. Lias Präsenz war dort nicht spürbar gewesen. Die Kleider im Schrank, die angefangenen Hausaufgaben auf dem Schreibtisch, das sorglose Durcheinander, das war alles so typisch für das Zimmer eines Teenagers, dass es nur Kathys Zimmer sein konnte. Aber wo war sie?
    Und wo war Lia? Nirgendwo im Haus hatte es Hinweise darauf gegeben, dass noch ein zweites Mädchen hier zu Hause war. Im Jahrbuch war sie als Lia Abbott aufgeführt gewesen, sie hatte also

Weitere Kostenlose Bücher