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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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gesehen, über das ich einfach hinweggegangen war. War der Briefkasten beschriftet gewesen? Nein, bestimmt nicht. Das Nummernschild vom Wohnmobil hätte mir weitergeholfen, aber auf das hatte ich nicht geachtet.
    Im Geiste verfolgte ich meinen Weg ins Wohnzimmer noch mal zurück und ließ den Blick langsam umher schweifen, erst hierhin, dann dorthin. Wieder sah ich den dicken Stoff der Vorhänge, die gut bestückten Regale, den Fernseher …
    Und da hielt ich inne. Auf dem Fernsehtisch hatten Umschläge gelegen, links oben hatte auf jedem dieser Umschläge ein Absender gestanden. Ich konzentrierte mich kurz darauf. Den Straßennamen und die Hausnummer hatte ich nicht registriert, aber … die Stadt? Ich kniff die Augen zu und versuchte mir die Handschrift bildlich vorzustellen. Plötzlich sah ich sie, ich sah das ganze Wort, jeden Buchstaben vor mir: ALBUQUERQUE. Die Abbotts wohnten in Albuquerque im Staat New Mexico.
    Ich wusste also doch etwas! Und der Schlüssel zu weiteren Erkenntnissen lag direkt vor mir. Ich zögerte nur eine Sekunde, dann nahm ich den Hörer und rief bei der Auskunft an. Dort musste ich Namen und Wohnort der Leute nennen, die ich erreichen wollte.
    Â»Abbott in Albuquerque«, sagte ich, dann erinnerte ich mich an die Stimme der schläfrigen Frau in dem großen Bett. Oh, Art, es war so real. Der Vorname ist Arthur«, sagte ich. »Arthur Abbott.«
    Ich rechnete damit, dass es Dutzende davon gab, aber das Glück war auf meiner Seite. Es gab nur einen Arthur Abbott und der wohnte in der Stagecoach Road.
    Ich bekam die Telefonnummer und rief dort an.
    Das Telefon klingelte lange. Schließlich meldete sich eine Frauenstimme. Ich erkannte sie sofort wieder. Es war ein seltsames Gefühl, diese Stimme am Telefon zu hören.
    Â»Hallo?«
    Â»Entschuldigen Sie bitte, dass ich so früh anrufe«, sagte ich, als mir klar wurde, dass mein Anruf sie geweckt hatte. »Ich versuche Lia zu erreichen.«
    Langes Schweigen. Ich fragte mich schon, ob die Verbindung vielleicht abgerissen war.
    Dann fragte die Frau: »Wer ist da?«
    Â»Ich heiße Laurie Stratton«, sagte ich. »Ich bin so etwas wie eine Verwandte. Ich habe den Kontakt zu Lia verloren und versuche, sie zu finden.«
    Â»Du bist mit Lia verwandt?« Das klang ungläubig, doch da schwang noch etwas anderes in der Stimme mit. Ich konnte nicht genau sagen, was es war, aber ihr Ton wurde irgendwie schärfer, die Worte klangen abgehackt, knapp und schroff.
    Ich dachte daran, wie Mom auf die Vorstellung reagiert hatte, dass ich Verbindung mit meiner leiblichen Familie aufnehmen könnte. Sie war verstört gewesen und hatte sich bedroht gefühlt. Wenn Mrs Abbott Lias Adoptivmutter war, wäre es nicht weiter erstaunlich, wenn sie mit den gleichen Gefühlen reagierte.
    Â»Ich will gar nichts aufrühren«, versicherte ich ihr. »Bitte, glauben Sie mir. Ich will Lias Leben nicht stören. Sie war es, die zuerst mit mir Verbindung aufgenommen hat.«
    Wieder herrschte eine seltsame Stille. Als Mrs Abbott danach etwas sagte, klang ihre Stimme dumpf und ausdruckslos.
    Â»Ich hole meinen Mann.«
    Einen Augenblick später kam Mr Abbott an den Apparat.
    Â»Hier ist Art Abbott. Du versuchst, Lia zu erreichen?«
    Â»Ja«, sagte ich. »Ich bin Laurie Stratton. Lias biologische Schwester. Ich will keine Schwierigkeiten machen. Lia und ich haben schon miteinander gesprochen. Sie hat mir nur nie erzählt, wo sie zu Hause ist. Ich hab versucht, ihre Adresse herauszufinden.«
    Â»Lia hat keine Schwester«, sagte Mr Abbott. »Jedenfalls sind wir darüber nicht informiert worden. Kennst du den Namen der Agentur, die eure Adoption vermittelt hat?«
    Â»Hastings in Gallup«, sagte ich. »Die Strattons haben mich adoptiert, als ich noch ein Baby war. Lia und ich sind Zwillinge. Sie ist noch eine Zeit lang bei unserer leiblichen Mutter geblieben und ist dann, glaube ich, zur Adoption freigegeben worden. Das könnte dieselbe Agentur vermittelt haben.«
    Â»Das ist richtig.« Sein Ton hatte sich ein wenig verändert. Ich merkte, dass er anfing, mir zu glauben. »Du bist Lias Zwilling? Eineiig?«
    Â»Ja«, sagte ich.
    Â»Himmel!« Es dauerte eine Weile, bis er die Sprache wiedergefunden hatte. Dann aber kam alles in einem Schwall, als ob er die Worte so schnell wie möglich loswerden wollte.
    Â»Wir haben Lia nicht adoptiert. Irgendwann

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