Komm zurueck, Como
Geduld und Vertrauen an den Tag legte, die Phoebe und mir fehlten, ließ nicht locker. Sie wechselte Kewis Wasser zwei Mal am Tag, streute Körner in seinen Futternapf, legte den Boden seines Käfigs mit dem San Francisco Chronicle, meinem Arbeitgeber, aus und verbrachte viel Zeit damit, leise mit ihm zu sprechen. Er schien etwas weniger zu kreischen, wenn sie in der Nähe war.
Eines Nachmittags, als Phoebe in der Schule war, war es Sally, die einen schrillen Schrei ausstieß. Ich rannte von meinem Arbeitszimmer ins Esszimmer, wo Sally ein Papierhandtuch gegen ihren Handrücken drückte. » Er hat mich erwischt.« Sie klang verletzter, als sie war. » Ich habe das Papier gewechselt, da ist er im Sturzflug auf meine Hand losgegangen.«
Wir beschlossen, Phoebe nicht zu erzählen, was passiert war, wiesen sie aber an, ihre Finger vom Käfig zu lassen. Solidarisch, wie ich war, wendete auch ich die Hände-weg-Methode an. Sally weigerte sich, nachzugeben. Sie trotzte der Gefahr und wechselte weiterhin das Wasser, füllte Futter nach, legte Papier aus. Kewi bohrte sich nicht jedes Mal in ihre Hand, dazu war er zu schlau. Doch nach mehreren weiteren blutigen Angriffen ging Sally dazu über, sich etwas Langärmliges und dicke Gartenhandschuhe anzuziehen, wenn sie ihre Käfigpflichten erledigte. Selbst dann schrie sie manchmal auf, weil Kewis Schnabel auch den dicken Stoff durchdrang.
Nach etwa sechs Monaten passierte eines Nachts, während wir schliefen, etwas Seltsames: Kewi legte ein Ei. Dieser Vogel, dessen feindliche Art auf eine Testosteronbombe schließen ließ, erwies sich als eine Sie. Kewi legte die zarten, kleinen, rohweißen Dinger in unregelmäßigen Abständen auf die Chronicle -Artikel, die sie auf dem Käfigboden schredderte. Diese unerwartete Wendung der Ereignisse, die Wandlung von einem Männchen zu einem Weibchen, erlegte Sally die Pflicht auf, unser wildes Federvieh zu zähmen. Sie tauchte weiterhin mit ihrem nur bedingt sinnvollen Schutzpanzer in den Käfig, um Ordnung zu halten und die Eier herauszuholen. Diese piekste sie an beiden Enden mit einer Nadel auf, blies den Inhalt heraus und legte ihre Sammlung auf einen kleinen Teller, als wollte sie sie zum Färben für eine Unzertrennlichen-Osterfeier vorbereiten. Aus meinem Arbeitszimmer hörte ich, wie Sally mit ihrem scharfschnäbligen Quälgeist murmelte, ohne dass ich je einzelne Wörter verstand.
Alles an diesem Vogelexperiment war verwirrend. Sowohl Phoebe als auch ich– und, was das betraf, auch Sally– sprachen von Kewi als » er« oder » ihn«, wenn wir nicht nachdachten, auch wenn uns die Biologie eindeutig eines Besseren belehrt hatte. Man könnte es sexistisch nennen, aber keiner von uns konnte sich vollständig daran gewöhnen, dass diese leuchtend grüne Borderline-Persönlichkeit weiblich war. Und, ehrlich gesagt, eigentlich konnten wir uns ohnehin nicht daran gewöhnen, einen Vogel im Haus zu haben.
Das Ende kam jäh und unerwartet. Nachdem wir von einem Wochenendurlaub zurückgekehrt waren, stellten wir unsere Koffer im Flur ab und gingen nach hinten in die Küche. Wir hatten den Käfig auf den mit Zeitungspapier abgedeckten Küchenschrank gestellt, um es den Freunden leichter zu machen, die sich bereit erklärt hatten, ihm/ihr frisches Wasser und Futter zu geben. Verständnislos lauschten wir auf die Stille, die im Käfig herrschte. Hatten unsere Freunde den Vogel der Einfachheit halber mit zu sich nach Hause genommen? Aber wenn ja, warum dann ohne Käfig? Dann sahen wir sie– ausgestreckt auf den mit Guano bekleckerten Zeitungen auf dem Käfigboden lag Kewi auf der Seite, einen ihrer langen Flügel nur halb über ihre winzige Brust gelegt, als wäre eine Decke ein Stück nach unten gerutscht, und starrte ins Leere. Sie war vollkommen und ganz eindeutig tot.
Nachdem wir uns von dem ersten Schock erholt hatten, reagierten Sally und ich auf die gleiche Weise: Wir zogen Phoebe vom Käfig fort und begannen, sie zu trösten.
» Was ist passiert?«, fragte sie mit leiser Stimme, in der echte Verwunderung mitschwang. Kewi war das erste atmende Wesen, das sie tot sah.
» Es ist in Ordnung«, beruhigte Sally sie und nahm sie in ihre Arme. » Vögel werden eben manchmal krank.«
» Ich bin sicher, sie hat nicht gelitten«, fügte ich hinzu.
Phoebe wirkte benommen, doch sie weinte nicht. Sie trat noch einmal zum Käfig und blickte kurz hinein, wich zurück und sagte, sie wolle nach oben gehen. Ich wartete, bis sie außer Sicht war,
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