Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
durch das Okular und begann: »Als Erstes Tierhaare, vermutlich felide.«
    »Das heißt Katze«, kommentierte Astor.
    »Dann ein bisschen Erde mit hohem Nitrogengehalt – vermutlich Blumenerde, wie man sie für Topfpflanzen verwendet.«Ich sprach mit ihm, ohne aufzublicken. »Wo habt ihr die Katze hingebracht? In die Garage? Wo eure Mutter die Pflanzen umtopft?«
    »Ja«, sagte er.
    »Mhm, dachte ich mir.« Ich sah wieder durch das Mikroskop. »Oh – schau mal. Das ist eine Synthetikfaser, von einem Teppich. Sie ist blau.« Ich sah Cody an und zog eine Augenbraue hoch. »Welche Farbe hat der Teppich in eurem Zimmer, Cody?«
    Mit weit aufgerissenen Augen antwortete er: »Blau.«
    »Wenn ich wollte, könnte ich das hier mit einem Stück aus eurem Zimmer vergleichen. Dann wärst du reif. Ich könnte beweisen, dass ihr die Katze am Wickel hattet.« Wieder schaute ich durch das Okular. »Meine Güte, da hat jemand erst neulich Pizza gegessen – oh, und hier haben wir auch noch ein Bröckchen Popcorn. Erinnert ihr euch noch an den Film letzte Woche?«
    »Dexter, ich will auch mal gucken«, quengelte Astor. »Ich bin dran.«
    »In Ordnung«, sagte ich und setzte sie auf einen Hocker neben Cody, damit sie ins Mikroskop spähen konnte.
    »Ich sehe kein Popcorn«, sagte sie sofort.
    »Das runde bräunliche Ding oben in der Ecke.«
    Sie schwieg eine Minute, dann schaute sie zu mir hoch.
    »Du kannst das gar nicht wirklich sehen«, klagte sie mich an. »Nicht, indem du nur ins Mikroskop guckst.«
    Ich gebe gern zu, dass ich ein wenig prahlte, doch genau darum ging es ja, deshalb war ich darauf gefasst. Ich griff nach einem Ringbuch, das ich vorbereitet hatte, und legte es aufgeschlagen auf die Laborbank. »Doch, das kann ich«, widersprach ich. »Und noch eine ganze Menge mehr. Schaut mal.« Ich blätterte zu einer Seite mit Fotos unterschiedlicher Tierhaare, sorgfältig ausgewählt, um die größtmögliche Bandbreite zu illustrieren. »Hier, das ist ein Katzenhaar«, erklärte ich. »Ganz anders als Ziege, seht ihr?« Ich blätterte weiter. »Und Teppichfasern. Ganz anders als die hier von einem T-Shirt oder die da von einem Waschlappen.«
    Die beiden drückten sich aneinander und starrten in das Buch, blätterten durch die rund zehn Seiten, die ich zusammengestellt hatte, um ihnen zu beweisen, dass ich in der Tat all das sehen konnte. Selbstverständlich hatte ich große Sorgfalt walten lassen, um die Kriminaltechnik nur unwesentlich allwissender und mächtiger aussehen zu lassen als den Zauberer von Oz. Gerechterweise muss man sagen, dass wir wirklich fast alles konnten, was ich ihnen vorführte. Es schien bei der Jagd auf die bösen Buben nie sonderlich hilfreich zu sein, aber warum sollte ich ihnen das verraten und damit einen magischen Nachmittag verderben?
    »Jetzt schaut noch mal durch das Mikroskop«, forderte ich sie nach einigen Minuten auf. »Seht nach, was ihr noch entdecken könnt.« Eifrig gehorchten sie und schienen für eine Weile ganz glücklich.
    Als sie schließlich zu mir aufblickten, bedachte ich sie mit einem munteren Lächeln und sagte: »Alles von einem sauberen Schuh.« Ich schloss das Buch und sah ihnen dabei zu, wie sie darüber nachdachten. »Und das ist erst das Mikroskop«, sagte ich mit einem Nicken auf die vielen glänzenden Geräte, die im Labor herumstanden. »Überlegt mal, was wir alles herausfinden können, wenn wir die ganze schicke Chose benutzen.«
    »Klar, aber wir könnten barfuß gehen«, wandte Astor ein.
    Ich nickte, als wäre das eine kluge Idee. »Ja, könntet ihr«, gab ich zu. »Und dann könnte ich Folgendes tun – gib mir deine Hand.«
    Astor beäugte mich zwei Sekunden, als hätte sie Angst, ich würde ihr den Arm abschneiden, doch dann streckte sie ihn langsam aus. Ich hielt ihn fest, zog einen Nagelklipser aus der Tasche und schabte unter ihren Fingernägeln. »Wart ab, bis du siehst, was du hier drunter hast.«
    »Ich hab mir aber die Hände gewaschen«, meinte Astor.
    »Das ist egal«, versicherte ich. Ich plazierte die Körnchen auf einem weiteren Objektträger und spannte ihn ins Mikroskop. »Dann mal los.«
    BUMM .
    Es mag ein wenig melodramatisch klingen, zu behaupten, dass wir alle erstarrten, aber so war es. Sie blickten zu mir hoch, und ich blickte auf sie hinunter, und wir alle vergaßen zu atmen.
    BUMM .
    Das Geräusch näherte sich, und es fiel schwer, im Gedächtnis zu behalten, dass wir uns im Polizeihauptquartier befanden und damit vollkommen in

Weitere Kostenlose Bücher