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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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legen.
    Cody und Astor waren zu jung, um zu registrieren, dass sie sich in tödlicher Gefahr befanden, und schienen sich auf der Rückbank prächtig zu amüsieren, ja, sich von der allgemeinen Stimmung anstecken zu lassen, was sich zeigte, als sie begannen, die Grüße der anderen Verkehrsteilnehmer zu erwidern, indem sie jedes Mal synchron ihre Mittelfinger hoben, wenn wir jemanden schnitten.
    Auf der U. S. 1 bei Lejeune hatten sich drei Wagen ineinander verkeilt, was den Verkehr einige Augenblicke zum Stocken brachte und uns zwang, unser Tempo zu einem Kriechen zu verlangsamen. Da ich meine Atemluft nicht länger benötigte, um schrille Angstschreie zu unterdrücken, versuchte ich von Deborah in Erfahrung zu bringen, welchem Anblick wir eigentlich entgegenrasten.
    »Wie ist er umgebracht worden?«, erkundigte ich mich.
    »Genau wie die anderen. Verbrannt. Und der Kopf fehlt.«
    »Du bist sicher, dass es sich um Kurt Wagner handelt?«, vergewisserte ich mich.
    »Kann ich es beweisen? Noch nicht. Bin ich sicher? Scheiße, klar.«
    »Warum?«
    »Sein Auto wurde in der Nähe gefunden.«
    Ich war ganz sicher, dass ich normalerweise genau wüsste, warum jemand einen solchen Fetisch aus den Köpfen machte und wo sie zu finden waren und warum. Doch natürlich war ich innerlich auf mich allein gestellt, und Normalität gab es nicht länger.
    »Das ergibt keinen Sinn, weißt du«, bemerkte ich.
    Deborah knurrte und trommelte mit den Knöcheln auf das Lenkrad. »Weiter«, sagte sie.
    »Kurt muss die anderen Opfer umgebracht haben«, begann ich.
    »Und wer hat dann ihn getötet? Sein Oberpfadfinder?« Sie lehnte sich auf die Hupe und umfuhr den Verkehrsstau auf der Gegenfahrbahn. Sie umkurvte einen Bus, trat aufs Gas und fädelte sich fünfzig Meter durch den Verkehr, bis wir den Unfall passiert hatten. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung und sinnierte darüber, dass wir alle eines Tages sterben müssen, was machte es im Großen und Ganzen gesehen also aus, wenn Deborah uns umbrachte? Es war nicht sonderlich tröstlich, doch hinderte es mich daran, aufzukreischen und mich aus dem Wagen zu stürzen, bis Deborah wieder auf die korrekte Spur am anderen Ende der U. S. 1 einschwenkte.
    »Das war lustig«, jubelte Astor. »Können wir das noch mal machen?«
    Cody nickte begeistert.
    »Und nächstes Mal könnten wir doch die Sirene einschalten«, schlug Astor vor. »Warum benutzt du nie die Sirene, Sergeant Debbie?«
    »Nenn mich nicht Debbie«, blaffte meine Schwester. »Ich mag die Sirene einfach nicht.«
    »Warum nicht?«, beharrte Astor.
    Deborah stieß einen Riesenseufzer aus und funkelte mich aus den Augenwinkeln zornig an. »Die Frage ist durchaus berechtigt«, stärkte ich Astor den Rücken.
    »Sie ist zu laut«, sagte Deborah. »Jetzt lass mich fahren, okay?«
    »In Ordnung«, antwortete Astor, aber sie klang nicht überzeugt.
    Schweigend fuhren wir die Strecke zur Grand Avenue, und ich versuchte in Ruhe nachzudenken – ganz eindeutig, um irgendetwas zu finden, das helfen konnte. Mir fiel nichts ein, doch eine Sache musste ich erwähnen.
    »Und wenn der Mord an Kurt reiner Zufall war?«, fragte ich.
    »Nicht einmal du kannst das glauben«, erwiderte sie.
    »Aber falls er auf der Flucht war, hat er vielleicht versucht, sich von den falschen Leuten gefälschte Papiere zu besorgen oder aus dem Land schmuggeln zu lassen. Unter diesen Umständen konnte er vielen bösen Buben begegnen.«
    Es klang nicht gerade wahrscheinlich, nicht einmal in meinen Ohren, doch Deborah dachte trotzdem ein paar Sekunden darüber nach, während sie auf ihrer Unterlippe herumkaute und geistesabwesend hupte, als sie eine Hotel-Limousine überholte.
    »Nein«, sagte sie schließlich. »Er wurde geröstet, Dexter. Wie die beiden ersten. Das war kein Nachahmungstäter.«
    Wieder einmal spürte ich eine schwache Regung in der trostlosen Leere, in der einst der Dunkle Passagier gehaust hatte. Ich schloss die Augen und versuchte einen Schnipsel meines einst ständig gegenwärtigen Gefährten zu entdecken, doch nichts. Ich schlug die Augen gerade rechtzeitig auf, um mitzuerleben, wie Deborah an einem leuchtend roten Ferrari vorbeizog.
    »Leute lesen Zeitungen«, sagte ich. »Es gibt immer Nachahmungstäter.«
    Sie dachte noch einmal nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein«, meinte sie schließlich, »ich glaube nicht an Zufälle. Nicht in dieser Angelegenheit. Geröstet und geköpft, und das soll Zufall sein? Ausgeschlossen.«
    Die Hoffnung

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