Komm zurück, mein dunkler Bruder
Straßenlaternen konnte die Dunkelheit nicht vertreiben, in die ich mich immer dichter hüllte, während ich die Straßen entlanglief.
Die Mission befand sich in einem umgebauten Laden an der Ecke einer mäßig geschäftigen Straße. Davor sammelte sich eine kleine Menge – keine echte Überraschung, da Kleidung und Essen ausgeteilt wurden, und alles, was man dafür tun musste, war, ein paar Minuten seiner rumgetränkten Zeit dem guten Reverend zu lauschen, der erklärte, warum man zur Hölle fahren werde. Es schien ein ziemlich fairer Handel, selbst in meinen Augen, aber ich war nicht hungrig. Ich ging weiter, hinten herum zum Parkplatz.
Obgleich ein wenig düsterer, war der Parkplatz in meinen Augen noch immer zu hell erleuchtet, man konnte kaum den Mond erkennen, den ich gleichwohl dort oben am Himmel spürte, wie er auf unser wimmelndes zerbrechliches Leben hinunterfeixte, von Ungeheuern verziert, die nur existierten, um ebendieses Leben in großen, schmerzerfüllten Bissen zu nehmen. Ungeheuer wie ich oder Zander. Doch nach dieser Nacht würde es eins weniger geben.
Ich schritt noch einmal den Parkplatz ab. Er schien sicher. Niemand zu sehen, niemand saß oder döste in einem der Autos. Das einzige Fenster mit Blick auf den Platz war klein, weit oben in der Rückwand der Mission und hatte eine Milchglasscheibe – die Toilette. Ich näherte mich Zanders Wagen, einem blauen Dodge Durango, der direkt neben der Hintertür geparkt war, und probierte den Türgriff – abgeschlossen. Daneben stand ein alter Chrysler, des Pastors ehrwürdiger Untersatz. Ich verzog mich auf die andere Seite des Chryslers und begann zu warten.
Aus der Sporttasche nahm ich die weiße Seidenmaske und streifte sie über mein Gesicht, rückte die Sehschlitze zurecht. Dann ergriff ich die Rolle mit reißfester Angelschnur und war bereit. Sehr bald nun würde er beginnen, der Dunkle Tanz. Zander, der nichtsahnend in die Nacht des Räubers spazierte, eine Nacht scharfer Überraschungen, eine finale, wilde Dunkelheit, durchbohrt von grimmiger Erfüllung. Sehr bald würde er gelassen aus seinem Leben in meines schlendern. Und dann …
Hatte Cody daran gedacht, sich die Zähne zu putzen? Neulich hatte er es vergessen, und Rita holte ihn nicht gern aus dem Bett, wenn er erst einmal darinlag. Aber es war wichtig, ihn auf den Pfad guter Gewohnheiten zu lenken, und Zähneputzen war wichtig. Ich schnippte gegen die Schlinge und legte sie auf meine Knie. Morgen kam der Fotograf in Astors Schule. Sie sollte ihr Osterkleid vom letzten Jahr anziehen, um auf den Bildern hübsch auszusehen. Hatte sie es herausgelegt, damit sie es morgen früh nicht vergaß? Natürlich würde sie bei der Aufnahme nicht lächeln, aber sie sollte wenigstens das gute Kleid tragen.
Kauerte ich wahrhaftig hier in der Nacht, die Schlinge in der Hand, auf den Augenblick zum Zuschlagen lauernd, und beschäftigte mich mit solchen Dingen? Wie war es möglich, dass mich diese Gedanken beherrschten und nicht die reißzahnschärfende Vorfreude, den Dunklen Passagier auf diesen Spielkameraden loszulassen, der es wahrlich verdiente? War das ein Vorgeschmack auf Dexters schimmerndes neues Eheleben?
Ich atmete vorsichtig ein und spürte großes Verständnis für W. C. Fields. Ich konnte auch nicht mit Kindern arbeiten.
Ich schloss die Augen, genoss, wie die dunkle Nachtluft mich erfüllte, und stieß sie wieder aus, während ich spürte, wie die eisige Bereitschaft zurückkehrte. Langsam zog Dexter sich zurück, und der Dunkle Passagier übernahm erneut die Kontrolle.
Und keinen Moment zu früh.
Die Hintertür schwang krachend auf, und von drinnen hörten wir grauenhafte animalische Geräusche, das Meckern und Blöken einer wahrhaft abscheulichen Darbietung von »Näher, mein Gott, zu Dir«, deren Klang ausreichte, um jeden zurück an die Flasche zu treiben. Und Zander aus der Tür. Er blieb im Türrahmen stehen, schenkte allen ein fröhliches Winken und Lächeln, und dann schlug die Tür zu, und er trat zur Fahrerseite seines Wagens, und er war unser.
Zander angelte nach seinem Schlüssel, und die Türverriegelung sprang auf, und wir waren um den Wagen herum und hinter ihm. Ehe er wusste, wie ihm geschah, pfiff die Schlinge durch die Luft und legte sich um seinen Hals, und wir rissen heftig genug daran, um ihn von den Füßen zu zerren, heftig genug, um ihn auf die Knie zu zwingen, seinen Atem zu ersticken, sein Gesicht wurde dunkel, und es war gut.
»Nicht einen Laut«,
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