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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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verloren.«
    »Was?«
    »DeMarco ist eingetroffen, als Balfour gerade gehen wollte«, erklärte sie. »Er ist ihnen entschlüpft, während sie die Übergabe gemacht haben. Sie schwören, dass er nicht länger als zehn Minuten fort war.«
    »Die Fahrt von seinem Haus hierher dauert fünf Minuten.«
    »Ich weiß«, meinte sie verbittert. »Was machen wir denn jetzt?«
    »Sie sollen weiter Wilkins observieren«, sagte ich. »Und in der Zwischenzeit sprichst du mit Starzak.«
    »Du kommst aber mit, nicht wahr?«, fragte sie.
    »Nein«, erwiderte ich. Ich wollte Starzak absolut nicht begegnen, und dieses eine Mal hatte ich eine perfekte Ausrede. »Ich muss die Kinder nach Hause bringen.«
    Sie sah mich säuerlich an. »Und wenn es nicht Starzak war?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung«, sagte ich.
    »Ja«, stimmte sie mir zu. »Ich auch nicht.« Sie ließ den Motor an. »Setz dich nach vorn.«

[home]
    35
    E s war schon weit nach fünf Uhr, als wir wieder beim Polizeiquartier eintrafen, deshalb verfrachtete ich die Kinder trotz Deborahs saurer Blicke in mein eigenes bescheidenes Fahrzeug und machte mich auf den Heimweg. Den größten Teil der Fahrt waren sie sehr gedämpft, offensichtlich noch ein wenig erschüttert von ihrer Begegnung mit dem unheimlichen Typen. Doch sie waren robuste Kinder, was sattsam dadurch bewiesen wurde, dass sie trotz allem, was ihr leiblicher Vater ihnen angetan hatte, noch sprechen konnten. Und so kehrte Astor, als wir nur noch zehn Minuten von zu Hause entfernt waren, zu ihrem Normalzustand zurück.
    »Ich wünschte, du würdest so fahren wie Sergeant Debbie«, meinte sie.
    »Ich würde lieber ein bisschen länger leben«, antwortete ich.
    »Warum hast du keine Sirene?«, verlangte sie zu wissen. »Wolltest du keine?«
    »Kriminaltechniker kriegen keine Sirenen«, erklärte ich. »Und nein, ich wollte auch keine. Ich möchte lieber unauffällig bleiben.«
    Im Rückspiegel sah ich, wie sie die Stirn runzelte. »Wie meinst du das?«, fragte sie.
    »Es bedeutet, dass ich keine Aufmerksamkeit auf mich lenken will. Ich will nicht, dass die Leute mich bemerken. Das ist etwas, das ihr beide noch lernen müsst«, fügte ich hinzu.
    »Alle anderen wollen bemerkt werden«, sagte sie. »Sie tun alles, nur damit jeder sie anschaut.«
    »Ihre beide seid anders. Ihr werdet immer anders sein, nie wie alle anderen.« Lange Zeit sagte sie gar nichts, und ich warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Sie betrachtete ihre Füße. »Das ist nicht unbedingt schlecht«, setzte ich hinzu. »Kennst du das andere Wort für normal?«
    »Keine Ahnung«, antwortete sie dumpf.
    »Gewöhnlich«, sagte ich. »Möchtest du wirklich gewöhnlich sein?«
    »Nein«, erwiderte sie und klang schon nicht mehr ganz so unglücklich. »Aber wenn wir nicht gewöhnlich sind, fallen wir auf.«
    »Darum müsst ihr lernen, euch unauffällig zu verhalten«, antwortete ich, insgeheim hocherfreut darüber, dass der Verlauf des Gesprächs meine Haltung untermauerte. »Ihr müsst so tun, als wärt ihr völlig
normal

    »Dann dürfen wir nie jemanden wissen lassen, dass wir anders sind«, sagte sie. »Niemanden.«
    »Das ist richtig«, bestätigte ich.
    Sie sah ihren Bruder an, und sie führten eins dieser langen, schweigenden Gespräche. Ich genoss die Ruhe, während ich einfach durch den abendlichen Stoßverkehr fuhr und mich bemitleidete.
    Nach ein paar Minuten machte Astor den Mund wieder auf. »Das heißt, dass wir Mom nicht erzählen dürfen, was wir heute gemacht haben.«
    »Du könntest ihr von dem Mikroskop erzählen«, schlug ich vor.
    »Aber nichts von dem anderen Kram?«, fragte Astor. »Dem unheimlichen Typen und der Fahrt mit Sergeant Debbie?«
    »Richtig«, antwortete ich.
    »Wir dürfen aber keine Lügen erzählen«, meinte sie. »Und schon gar nicht unserer eigenen Mutter.«
    »Und darum erzählt ihr überhaupt nichts«, sagte ich. »Sie muss keine Dinge wissen, die ihr letztendlich nur Sorgen bereiten.«
    »Aber sie liebt uns«, sagte Astor. »Sie will, dass wir glücklich sind.«
    »Klar. Aber sie muss glauben, dass ihr auf eine Weise glücklich seid, die sie verstehen kann. Sonst ist
sie
nicht glücklich.«
    Ein weiteres langes Schweigen, das Astor schließlich brach, kurz bevor wir in unsere Straße einbogen. »Hat der unheimliche Typ eine Mutter?«
    »Höchstwahrscheinlich«, antwortete ich.
    Rita musste direkt hinter der Haustür auf uns gewartet haben, denn als wir vorfuhren und parkten, sprang die Tür auf

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