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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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nett von ihm.«
    »Er war überhaupt nicht nett, das haben wir doch gesagt, Dexter. Er war unheimlich.«
    »Aber wie hat er ausgesehen, Astor?«, fragte ich ohne echte Hoffnung. »Wie sollen wir ihn finden, wenn wir nicht wissen, wie er aussieht?«
    »Du musst ihn nicht suchen, Dexter«, antwortete sie in demselben, leicht ärgerlichen Ton. »Er hat gesagt, du wirst ihn finden, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.«
    Die Welt blieb einen Moment stehen, gerade lange genug, damit ich spüren konnte, wie Eiswassertropfen aus meinen Poren schossen, als wären es Sprengladungen. »Was hat er genau gesagt?«, fragte ich, nachdem sich alles wieder in Bewegung gesetzt hatte.
    »Er hat gesagt, wir sollen dir sagen, du würdest ihn finden, wenn die Zeit gekommen ist«, antwortete sie. »Hab ich doch gesagt.«
    »Wie hat er es gesagt?«, fragte ich. »›Sag Daddy?‹, ›Sag diesem Mann?‹. Was?«
    Sie seufzte. »Sag
Dexter
«, artikulierte sie langsam, damit ich es verstand. »Das bist du. Er hat gesagt ›Sag Dexter, er wird mich finden, wenn die Zeit gekommen ist‹.«
    Ich nehme an, ich hätte noch verängstigter sein sollen. Doch seltsamerweise war das nicht der Fall. Stattdessen ging es mir besser. Jetzt hatte ich Gewissheit – ich wurde verfolgt. Ob von einem Gott oder einem Sterblichen war mittlerweile gleichgültig, und er würde kommen und mich holen, wenn die Zeit gekommen war, was immer das bedeutete.
    Es sei denn, ich erwischte ihn zuerst.
    Es war ein alberner Gedanke, direkt aus der Schülerumkleide. Bis jetzt hatte ich es nicht einmal fertiggebracht, wem auch immer auch nur einen halben Schritt voraus zu sein, geschweige denn, ihn zu finden. Ich hatte nichts getan außer zuzusehen, wie er mich beschattete, mich ängstigte, jagte und mich in einen Zustand düsterer Verzagtheit versetzte, den ich nie zuvor erlebt hatte.
    Er wusste, wer, was und wo ich war. Ich wusste nicht einmal, wie er aussah. »Bitte, Astor, es ist wichtig«, flehte ich. »War er richtig groß? Hatte er einen Bart? War er Kubaner? Schwarz?«
    Sie zuckte die Achseln. »Einfach ein Weißer, du weißt schon«, antwortete sie. »Er hatte eine Brille. Ein ganz normaler Mann. Du weißt schon.«
    Ich wusste es nicht, doch Deborah rettete mich vor diesem Geständnis, indem sie die Autotür aufriss und in den Wagen glitt. »Herr im Himmel«, schimpfte sie. »Wie kann ein Mann so blöd sein und sich trotzdem selbst die Schuhe zubinden?«
    »Heißt das, dass Officer Suchinsky nicht viel beizutragen hatte?«, erkundigte ich mich.
    »Er hatte eine Menge beizutragen. Aber nur hirntoten Mist. Er glaubt, der Typ könnte ein grünes Auto gefahren haben. Das war’s auch schon.«
    »Blau«, sagte Cody. Wir starrten ihn an. »Es war blau.«
    »Bist du sicher?«, fragte ich. Er nickte.
    »Soll ich jetzt einem kleinen Kind glauben?«, fragte Deborah. »Oder einem Polizisten mit fünfzehn Dienstjahren und außer Scheiße nichts in der Birne?«
    »Du sollst nicht immer so schlimme Wörter sagen«, mahnte Astor. »Du schuldest mir schon fünf Dollar fünfzig. Und außerdem hat Cody recht. Das Auto war blau. Ich habe es auch gesehen, und es war blau.«
    Ich wandte mich zu Astor, doch spürte ich den Druck von Deborahs Blick im Rücken und drehte mich wieder zu ihr um.
    »Und?«, sagte sie.
    »Nun«, erwiderte ich. »Abgesehen von den schlimmen Wörtern sind sie zwei wirklich aufgeweckte Kinder, und Officer Suchinsky wird sicherlich nie aufgefordert werden, MENSA beizutreten.«
    »Demnach müsste ich ihnen glauben«, folgerte sie.
    »Ich tue es.«
    Darauf kaute Deborah einen Moment herum, bewegte buchstäblich den Mund, als zermalmte sie etwas sehr Hartes. »Okay«, sagte sie endlich. »Ich weiß also, dass er ein blaues Auto fährt, so wie jeder Dritte in Miami. Verrat mir, wie mir das nützen soll.«
    »Wilkins fährt ein blaues Auto«, sagte ich.
    »Wilkins wird observiert, verdammt noch mal.«
    »Ruf an.«
    Sie sah mich an, kaute auf ihrer Lippe, dann nahm sie das Funkgerät und stieg aus dem Auto. Sie redete kurz, und ich hörte, wie ihre Lautstärke anschwoll. Schließlich sagte sie eins ihrer schlimmen Wörter, und Astor sah mich an und schüttelte den Kopf. Und dann warf sich Deborah wieder in den Wagen.
    »Mistkerle«, schimpfte sie.
    »Sie haben ihn verloren?«, riet ich.
    »Nein, er ist dort, zu Hause«, sagte sie. »Er ist gerade gekommen und ins Haus gegangen.«
    »Wo war er?«
    »Das wissen sie nicht«, erwiderte sie. »Sie haben ihn beim Schichtwechsel

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