Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
besaßen? Und würde mir nun, da er fort war, eine echte wachsen und mich am Ende in einen Menschen verwandeln?
    Mir wurde bewusst, dass ich vor mich hin grübelte, doch irgendwie schuf auch das kein Gefühl der Erfüllung. Ich konnte grübeln, bis mir die Zähne ausfielen, und es würde doch nicht erklären, wohin mein Passagier entschwunden war – oder wo Cody und Astor steckten. Außerdem würde es mich nicht aus diesem kleinen Raum befreien.
    Ich stand wieder auf und umrundete den Raum, langsamer diesmal, auf der Suche nach Schwachstellen. In einer Ecke befand sich die Öffnung einer Klimaanlage – ein perfekter Fluchtweg, hätte ich denn die Größe eines Wiesels. In der Wand neben der Tür saß eine Steckdose. Das war alles.
    Ich blieb vor der Tür stehen und tastete sie ab. Sie war massiv und schwer und ließ mir nicht die geringste Hoffnung, sie zu zertrümmern, das Schloss aufzubrechen oder sie auf andere Weise ohne die Hilfe von Sprengstoff oder einer Planierraupe öffnen zu können. Ich sah mich noch einmal um, doch stand nichts dergleichen herum.
    In der Falle. Eingeschlossen, gefangen, festgesetzt, inhaftiert – nicht einmal Synonyme konnten mich aufheitern. Ich schmiegte meine Wange an die Tür. Warum sollte ich noch hoffen? Hoffen worauf? In eine Welt entlassen zu werden, in der ich keinen echten Zweck mehr erfüllte? War es nicht besser für alle Betroffenen, wenn Dexter, der Besiegte, einfach im Vergessen verschwand?
    Durch die Dichte der Tür hörte ich etwas, einen schrillen Klang, der sich von außen näherte. Und während der Klang näher kam, identifizierte ich ihn: die Stimme eines Mannes, die mit einer anderen höheren, hartnäckigen Stimme stritt, die mir sehr vertraut war.
    Astor.
    »Dummkopf!«, sagte sie, als sie an meiner Tür vorbeiliefen. »Ich muss gar nicht …« Und dann waren sie fort.
    »Astor«, rief ich so laut ich konnte, obwohl ich wusste, dass sie mich nicht hörte. Und nur um zu beweisen, dass Dummheit allgegenwärtig und beständig ist, hämmerte ich mit beiden Fäusten gegen die Tür und brüllte erneut. »Astor!«
    Abgesehen von einem schwachen Brennen meiner Handflächen erzielte ich selbstverständlich absolut kein Resultat. Da mir nichts Besseres einfiel, ließ ich mich zu Boden gleiten, lehnte mich gegen die Tür und wartete auf den Tod.
    Ich weiß nicht, wie lange ich dort mit dem Rücken an der Tür kauerte. Ich gebe zu, dass an der Tür zusammenzusacken nicht besonders heldenhaft war. Ich weiß, dass ich hätte aufspringen, meinen geheimen Decoderring zücken und mich mittels meiner geheimen radioaktiven Kräfte mit den Zähnen durch die Mauer hätte nagen müssen. Doch ich war am Ende. Astors aufsässige Stimme auf der anderen Seite der Tür hatte sozusagen den letzten Nagel eingeschlagen. Der Dunkle Ritter existierte nicht länger. Von mir war nichts übrig außer der Hülle, und auch die löste sich auf.
    So saß ich dort, zusammengesackt, an die Tür gelehnt, und nichts geschah. Ich steckte gerade mitten in der Planung, wie ich mich am besten am Lichtschalter an der Wand erhängte, als ich eine Art Schlurfen auf der anderen Seite der Tür spürte. Dann drückte jemand dagegen.
    Selbstverständlich saß ich im Weg, und deshalb tat es natürlich weh, ein festes Zwicken im unteren Ende meiner menschlichen Würde. Ich reagierte nur langsam, und sie schoben wieder. Es tat wieder weh. Und inmitten des Schmerzes erblühte etwas wirklich Wunderbares, schoss aus der Leere wie die erste Blume des Frühlings.
    Ich drehte durch.
    Ich war nicht einfach ärgerlich, gereizt, weil jemand mein Gesäß als Türstopper benutzte. Ich wurde wirklich wütend, aufgebracht, wild wegen des Mangels an Rücksicht auf
mich
, der Annahme, dass ich ein zu vernachlässigendes Gut war, ein Ding, das man in einen Raum sperren und von jedem herumschubsen lassen konnte, der einen Arm und wenig Geduld besaß. Vollkommen gleichgültig, dass ich noch vor wenigen Augenblicken diese niedrige Meinung über mich geteilt hatte. Darauf kam es überhaupt nicht an – ich war wahnsinnig, im klassischen Sinn halb rasend, und ohne nachzudenken drückte ich so fest ich konnte gegen die Tür.
    Ein wenig Widerstand, dann fiel die Tür ins Schloss. Ich stand auf, dachte:
So!
 – ohne wirklich zu wissen, was ich damit meinte. Und während ich sie noch zornig anstarrte, begann sich die Tür erneut zu öffnen, und einmal mehr warf ich mich dagegen und drückte sie mit Gewalt ins Schloss.
    Es war ein

Weitere Kostenlose Bücher