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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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wie der Dunkle Passagier zu zeigen – und was sollte ich daraus schließen?
    Ehe ich diesen faszinierenden Gedankengang weiterverfolgen konnte, bemerkte ich, dass Deborah mich noch immer mit entschieden unerfreulichem Gesichtsausdruck musterte.
    »Habt ihr die Köpfe gefunden?«, erkundigte ich mich, hilfreich, wie ich glaubte. »Vielleicht bekommen wir ein Gefühl für das Ritual, wenn wir herausfinden, was er mit den Köpfen gemacht hat.«
    »Nein, wir haben die Köpfe nicht gefunden. Ich habe nichts gefunden, außer einem Bruder, der etwas vor mir verbirgt.«
    »Deborah, ehrlich, dieses andauernde abscheuliche Misstrauen ist nicht gut für deine Gesichtsmuskulatur. Du kriegst Sorgenfalten.«
    »Vielleicht kriege ich auch einen Killer«, sagte sie und ging zurück zu den beiden verkohlten Leichen.
    Da ich offensichtlich nicht länger von Nutzen war, zumindest, soweit es meine Schwester betraf, gab es für mich am Tatort wirklich nicht mehr viel zu tun. Ich griff nach meinem Analysekoffer, nahm ein paar Proben des getrockneten schwarzen Zeugs, das an den beiden Hälsen klebte, und begab mich auf den Rückweg zum Labor, rechtzeitig zu einem späten Mittagessen.
    Aber leider trug der arme Unverzagte Dexter offensichtlich eine Zielscheibe auf dem Rücken, denn meine Schwierigkeiten hatten eben erst begonnen. Gerade als ich meinen Schreibtisch aufräumte und mich für den munteren, mörderischen Feierabendverkehr bereitmachte, hüpfte Vince Masuoka in mein Büro. »Ich habe gerade mit Manny gesprochen«, verkündete er. »Wir treffen uns morgen Vormittag um zehn.«
    »Das sind wunderbare Neuigkeiten. Noch besser wären sie allerdings, wenn ich wüsste, wer Manny ist und warum er uns treffen möchte.«
    Vince wirkte ein wenig gekränkt, einer der wenigen echten Ausdrücke, die ich je auf seinem Gesicht gesehen habe. »Manny Borque«, sagte er. »Der Caterer.«
    »Der von MTV ?«
    »Ja, genau«, bestätigte Vince. »Der Typ, der die ganzen Preise gewonnen hat und über den im
Gourmet
geschrieben wurde.«
    »Ach ja«, sagte ich, auf Zeit spielend, weil ich hoffte, dass irgendein brillanter Geistesblitz mich treffen und mir helfen würde, diesem schrecklichen Schicksal zu entrinnen. »Der preisgekrönte Caterer.«
    »Dexter, der Typ ist groß. Er könnte deine ganze Hochzeit ausrichten.«
    »Nun, Vince, das finde ich großartig, aber …«
    »Hör mal«, sagte er mit einer Bestimmtheit, die ich von ihm nicht kannte, »du hast gesagt, du würdest mit Rita darüber reden und ihr die Entscheidung überlassen.«
    »Das habe ich gesagt?«
    »Ja, hast du. Und ich werde nicht zulassen, dass du dir eine wunderbare Gelegenheit wie diese entgehen lässt, nicht, wenn ich weiß, dass Rita davon begeistert wäre.«
    Ich verstand nicht, wie er sich dessen so sicher sein konnte. Immerhin war ich mit dieser Frau verlobt, und ich hatte keine Ahnung, welche Art Caterer sie mit Schrecken und Ehrfurcht erfüllen würde. Aber ich glaubte nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt war, ihn zu fragen, woher er wusste, was Rita begeisterte und was nicht. Und außerdem mochte ein Mann, der sich zu Halloween als Carmen Miranda verkleidete, wirklich einen tieferen Einblick als ich in die geheimsten kulinarischen Sehnsüchte meiner Verlobten haben.
    »Nun«, sagte ich. Letztendlich hatte ich beschlossen, dass ein lang währendes Zaudern, bis mir die Flucht gelang, die beste Antwort war. »In diesem Fall fahre ich jetzt nach Hause und rede mit Rita darüber.«
    »Tu das«, sagte er. Er stürmte zwar nicht hinaus, aber wenn es eine Tür zum Zuschlagen gegeben hätte, hätte er sie zugeschlagen.
    Ich räumte auf und trollte mich in den Feierabendverkehr. Ein Mann mittleren Alters in einem Toyota SUV setzte sich direkt hinter mich und begann aus irgendeinem Grund zu hupen. Nach fünf oder sechs Blocks überholte er und drehte, als er auf meiner Höhe war, leicht am Lenkrad, um mich so zu erschrecken, dass ich auf den Bürgersteig auswiche. Obgleich ich seine Geisteshaltung bewunderte und ihm gern gefällig gewesen wäre, blieb ich auf der Straße.
    Es ist vollkommen sinnlos, die Art und Weise, wie Miamis Fahrer von einem Ort zum anderen gelangen, vernünftig erklären zu wollen. Man muss sich einfach entspannen und die Brutalität genießen – und dieser Teil war für mich selbstverständlich noch nie ein Problem. Deshalb lächelte ich und winkte, und er trat aufs Gas und verschwand mit ungefähr sechzig Meilen über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit

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