Komm zurück, mein dunkler Bruder
im Verkehr.
Normalerweise empfinde ich das chaotische Durcheinander des abendlichen Heimwegs als die perfekte Art, einen Arbeitstag zu beenden. Der Anblick von Wut und Mordlust entspannt mich, dann fühle ich mich eins mit meiner Heimatstadt und ihren koboldhaften Bewohnern. Doch heute fiel es mir schwer, mich auf meine Munterkeit zu besinnen. Ich hatte nie auch nur einen Augenblick geglaubt, dass dies eintreten könnte, doch ich war tatsächlich beunruhigt.
Schlimmer noch, ich wusste nicht einmal genau, warum ich beunruhigt war, nur weil der Dunkle Passagier mir am Schauplatz eines kreativen Mordes die kalte Schulter gezeigt hatte. Das war noch nie passiert, und ich konnte nur annehmen, dass etwas Ungewöhnliches und möglicherweise Dexterbedrohliches die Ursache war. Aber was? Und wie konnte ich dessen sicher sein, wenn ich nicht das geringste Bisschen über den Dunklen Passagier wusste, außer, dass er immer da gewesen war, um fröhliche Einblicke und Kommentare zu liefern. Verbrannte Leichen hatten wir auch vorher schon gesehen sowie jede Menge Tonwaren, doch niemals der geringste Muckser. Lag es an der Kombination? Oder war etwas Besonderes an den beiden Leichen? Oder handelte es sich um reinen Zufall und hatte absolut nichts mit dem zu tun, was wir erlebt hatten?
Je länger ich darüber nachdachte, desto weniger begriff ich, aber der Verkehr wirbelte in tröstlich mörderischen Mustern um mich herum, und als ich Ritas Haus erreichte, hatte ich mich fast überzeugt, dass es keinen Anlass zur Sorge gab.
Rita, Cody und Astor waren schon da. Ritas Arbeitsplatz lag wesentlich näher als meiner, und die Kinder hatten an einem Nachmittagsprogramm in einem nahe gelegenen Park teilgenommen, deshalb warteten sie alle schon mindestens eine halbe Stunde auf die Gelegenheit, mich aus meinem schwer erkämpften Seelenfrieden zu reißen.
»Es war in den Nachrichten«, wisperte Astor, als ich die Tür öffnete, und Cody nickte und sagte »widerlich« mit seiner leisen, heiseren Stimme.
»Was war in den Nachrichten?«, fragte ich, während ich versuchte, mich an ihnen vorbei ins Haus zu drängen, ohne sie niederzutrampeln.
»Du hast sie
verbrannt!
« Astor zischte mich an, und Codys ausdrucksloser Blick zeigte eine Form Missbilligung.
»Was habe ich? Wen habe ich …«
»Die beiden, die man beim College gefunden hat«, sagte sie. »So etwas wollen wir nicht lernen«, fügte sie energisch hinzu, und Cody nickte wieder.
»Bei der … meinst du die Universität? Damit habe ich nichts …«
»Eine Universität ist ein College«, sagte Astor mit der ganzen Bestimmtheit einer Zehnjährigen. »Und wir finden Verbrennen einfach widerlich.«
Mir begann zu dämmern, was sie in den Nachrichten gesehen hatten – einen Bericht über den Tatort, an dem ich meinen Vormittag damit zugebracht hatte, gedörrte Blutproben von zwei verkohlten Leichen zu kratzen. Und aus irgendwelchen Gründen – hauptsächlich, weil sie wussten, dass ich kürzlich nachts draußen gespielt hatte – hatten sie daraus geschlossen, dass ich damit meine Zeit verbracht hatte. Auch ohne den Rückzug des Dunklen Passagiers teilte ich ihre Ansicht, dass es wahrhaft widerlich war, und ich war höchst ungehalten, dass sie mich einer Tat wie dieser für fähig hielten. »Hört mal«, sagte ich unfreundlich, »das war nicht …«
»Dexter? Bist du’s?« Rita jodelte aus der Küche.
»Ich bin nicht sicher«, rief ich zurück. »Lass mich mal in meiner Brieftasche nachschauen.«
Rita stürzte strahlend herbei, und ehe ich mich schützen konnte, wickelte sie sich um mich, offensichtlich in der Absicht, mich so fest zu drücken, dass meine Atmung unterbrochen wurde. »Hallo, mein Schöner«, sagte sie. »Wie war dein Tag?«
»Widerlich«, murmelte Astor.
»Absolut wunderbar«, sagte ich nach Luft ringend. »Jede Menge Leichen für alle. Und meine Baumwolltupfer konnte ich auch einsetzen.«
Rita schnitt eine Grimasse »Iih. Das ist – ich weiß wirklich nicht, ob du so was vor den Kindern sagen solltest. Und wenn sie Alpträume bekommen?«
Wenn ich eine vollkommen aufrichtige Person wäre, hätte ich ihr gesagt, dass ihre Kinder eher anderen Alpträume bereiteten, als selbst welche zu bekommen, aber da keinerlei zwanghafte Ehrlichkeit mich behindert, tätschelte ich ihren Arm und sagte: »Bei den Zeichentrickfilmen hören sie jeden Tag Schlimmeres. Das stimmt doch, Kinder?«
»Nein«, sagte Cody leise, und ich sah ihn überrascht an. Er sagte selten
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