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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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durch.« Und wie aufs Stichwort glitten die Türen des Aufzugs auseinander. Er straffte die Schultern, nickte und sagte: »Komm.«
    Wir gingen bis zum Ende des Korridors, wo Vince vor der letzten Tür stehen blieb. Er holte tief Luft, hob die Faust und klopfte zögernd an. Nach einem langen Moment, in dem absolut nichts geschah, sah er sich zwinkernd zu mir um, die Faust noch immer erhoben. »Vielleicht …«, sagte er.
    Die Tür öffnete sich. »Hallo, Vic!«, trällerte das Ding im Rahmen. Vince errötete und stammelte: »Ich nur, hi!« Dann verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, stotterte etwas, das klang wie »Ähgutja«, und trat einen halben Schritt zurück.
    Es war eine bemerkenswerte und durch und durch anrührende Vorstellung, und ich war nicht der Einzige, der sie zu genießen schien. Das Männchen, das die Tür geöffnet hatte, musterte ihn mit einem Lächeln, das verriet, dass er es stets genoss, im Publikum zu sitzen, wenn Menschen litten, und er sah noch einige lange Augenblicke zu, wie Vince sich krümmte, ehe er endlich sagte: »Kommt doch
herein

    Manny Borque, falls es sich wirklich um diesen handelte und nicht um irgendein seltsames Hologramm aus
Star Wars
, maß von den Sohlen seiner reichverzierten, hochhackigen Silberstiefel bis zu seinen orange gefärbten Haaren volle ein Meter achtundsechzig. Seine Haare waren kurz bis auf die schwarzen Ponysträhnen, die sich vor seiner Stirn wie ein Schwalbenschwanz gabelten und über seine riesige Strassbrille drapiert waren. Er trug einen langen, grellroten Kaftan, der um ihn herumwirbelte, als er von der Tür zurücktrat und uns hereinwinkte, und sonst ganz offensichtlich nichts. Er hastete mit raschen Trippelschritten zu einem riesigen Panoramafenster, das über das Meer hinausblickte.
    »Kommt hier herüber, dann unterhalten wir uns ein bisschen«, sagte er, während er einem Podest auswich, auf dem ein riesiger Gegenstand ruhte, der aussah wie ein gigantischer Haufen in Kunststoff getauchtes und mit Leuchtfarbe besprühtes tierisches Erbrochenes. Er führte uns zu einem Glastisch vor dem Fenster, um den vier Objekte standen, die vermutlich Stühle sein sollten, die man jedoch leicht mit bronzenen, auf Stelzen gelöteten Kamelsätteln verwechseln konnte. »Setzen«, kommandierte er mit weit ausholender Geste, und ich setzte mich auf das Stuhlding, das dem Fenster am nächsten stand. Vince zögerte einen Moment und nahm dann neben mir Platz, und Manny hüpfte auf den Sitz ihm gegenüber. »Nun«, sagte er. »Wie ist es dir ergangen, Vic? Möchtet ihr gern Kaffee?«, und ohne eine Antwort abzuwarten, schnellte sein Kopf herum, und er rief: »Eduardo!«
    Neben mir hörte ich Vince nach Luft ringen, doch ehe er etwas damit anfangen konnte, wirbelte Manny wieder zurück und fasste mich ins Auge. »Und Sie müssen der errötende Bräutigam sein!«, sagte er.
    »Dexter Morgan«, stellte ich mich vor. »Aber ich bin nicht besonders gut im Erröten.«
    »Na ja, ich glaube, Vic erledigt das gut genug für Sie beide«, erwiderte er. Und selbstverständlich lief Vic gehorsam so dunkelrot an, wie sein Teint es erlaubte. Da ich nach wie vor mehr als nur ein wenig verschnupft war, dieser Marter unterworfen zu sein, beschloss ich, ihm nicht zu Hilfe zu eilen, indem ich Manny eine vernichtende Erwiderung zuteil werden ließ oder ihn bezüglich Vince’ eigentlicher Identität als »Vince«, nicht »Vic«, korrigierte. Ich war sicher, dass er den richtigen Namen sehr wohl kannte und Vince einfach ein bisschen quälte. Und das war ganz in meinem Sinn: sollte Vince sich winden – es geschah ihm recht, weil er über meinen Kopf hinweg mit Rita gesprochen und mich in diese Angelegenheit hineingezogen hatte.
    Eduardo schwirrte herein, ein Tablett aus Plexiglas in den Händen, auf dem ein antikes Fiestaware-Kaffeeservice in leuchtenden Farben stand. Er war ein stämmiger junger Mann, ungefähr doppelt so groß wie Manny, und auch er schien sehr darauf bedacht, den kleinen Troll nicht zu verärgern. Er stellte eine gelbe Tasse vor Manny hin und wollte gerade die blaue vor Vince absetzen, als er von Manny aufgehalten wurde, der einen Finger auf seinen Arm legte.
    »Eduardo«, schnurrte er mit seidiger Stimme, und der Junge erstarrte. »Gelb? Haben wir nicht etwas vergessen? Manny bekommt die blaue Tasse.«
    Eduardo überschlug sich richtiggehend, als er knirschend den Rückwärtsgang einlegte, und ließ in seiner Hast, die abstoßende gelbe Tasse gegen

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