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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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eine Schachtel Pralinen, aber vielleicht doch etwas wie einen Klaps auf die Schulter und ein gemurmeltes »Danke, alter Kumpel«. Natürlich würde er einige Schwierigkeiten haben, ohne Zunge verständlich zu murmeln, und ein Klaps auf die Schulter mit einer seiner neuen Hände aus Metall mochte sich als schmerzhaft erweisen, aber er könnte es wenigstens versuchen. War das wirklich unzumutbar?
    Offensichtlich ja. Doakes starrte mich an, als wäre er der hungrigste Hund der Welt und ich das allerletzte Steak. Früher hatte ich stets angenommen, dass das Gift in seinem Blick für die Beseitigung der gesamten Roten Liste gefährdeter Arten ausreichte. Aber im Vergleich zu der Art, wie er mich jetzt ansah, war es nur das helle Lachen eines wuschelköpfigen Kindes an einem sonnigen Tag gewesen. Und ich wusste, was den Dunklen Passagier zu einem Räuspern veranlasst hatte – der Geruch eines vertrauten Raubtiers. Ich spürte das langsame Spiel innerer Schwingen, ein Wiedererstarken zu brüllendem Leben, das sich der Herausforderung in Doakes’ Blick stellte. Und hinter diesem dunklen Blick knurrte sein inneres Ungeheuer und fauchte das meinige an. So standen wir uns einen langen Moment gegenüber. Von außen musste es wie Starren wirken, doch im Inneren kreischten zwei mörderische Schatten ihre Herausforderung.
    Jemand redete, aber die Welt war auf mich und Doakes und die beiden schwarzen, kampfbegierigen Schatten in uns zusammengeschrumpft, und keiner von uns verstand ein Wort, wir hörten nur ein irritierendes Summen im Hintergrund.
    Schließlich durchschnitt Deborahs Stimme den Nebel. »Sergeant Doakes«, grüßte sie irgendwie energisch. Endlich drehte Doakes sich zu ihr um, und der Bann war gebrochen. Und ein wenig selbstzufrieden wegen der Macht – Glück und Segen – des Passagiers und ebenso wegen des kleinen Sieges, da Doakes sich als Erster abgewandt hatte, verschmolz ich mit der Tapete, indem ich einen kurzen Schritt zurücktrat, um die Überreste meiner ehemals mächtigen Nemesis zu begutachten.
    Sergeant Doakes hielt nach wie vor den Abteilungsrekord im Bankdrücken, aber er sah nicht so aus, als könnte er diesen Rekord in naher Zukunft verteidigen. Er war hager, und abgesehen von dem Feuer, das in seinen Augen schwelte, wirkte er beinahe schwach. Er stand steif auf seinen Fußprothesen, seine Arme hingen an den Seiten herab, und aus den beiden Handgelenken ragten silbern schimmernde Dinger, die aussahen wie eine Art komplizierter Schraubstöcke.
    Ich hörte die anderen im Raum atmen, aber abgesehen davon herrschte Schweigen. Einfach jeder starrte das Ding an, das einst Doakes gewesen war, und er starrte auf Deborah, die sich die Lippen leckte und anscheinend versuchte, sich eine vernünftige Bemerkung einfallen zu lassen.
    Schließlich rückte sie mit »Nehmen Sie Platz, Doakes. Ähem. Soll ich Sie auf den neuesten Stand bringen?« heraus.
    Doakes sah sie einen langen Moment unverwandt an. Dann drehte er sich unbeholfen um, funkelte mich zornig an und klumpte aus dem Raum. Seine befremdlichen, bedächtigen Schritte hallten im Gang wider, bis sie verklangen.
    Im Allgemeinen vermitteln Polizisten nicht gern den Eindruck, jemals beeindruckt oder eingeschüchtert zu sein, deshalb verstrichen einige Sekunden, ehe jemand riskierte, durch die Wiederaufnahme seiner Atmung eine unerwünschte Emotion zu verraten. Selbstverständlich war es Deborah, die schließlich das unnatürliche Schweigen brach. »Also gut«, sagte sie, und plötzlich räusperte sich alles und rutschte auf den Stühlen herum.
    »Also gut«, wiederholte sie, »die Köpfe werden wir nicht am Fundort entdecken.«
    »Köpfe treiben nicht an der Oberfläche«, beharrte Camilla Figg verächtlich, und wir waren wieder dort, wo wir uns vor der plötzlichen Halberscheinung von Sergeant Doakes befunden hatten. Und so dröhnten sie ungefähr zehn Minuten weiter, unermüdlich gegen das Verbrechen ankämpfend, indem sie darüber diskutierten, wer den Papierkram erledigen musste, als wir wieder einmal durch das Aufschwingen der Tür neben mir rüde unterbrochen wurden.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte Captain Matthews. »Ich habe – äh – wirklich großartige Neuigkeiten, glaube ich.« Er blickte sich stirnrunzelnd im Raum um, und selbst ich hätte ihm sagen können, dass das keine angemessene Miene für einen Überbringer guter Nachrichten war. »Es handelt sich, äh, hm. Sergeant Doakes ist wieder zurück, und er, äh – es ist

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