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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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noch nicht wusste, warum er es jetzt tat. Hatte Rita recht, was den Stress der bevorstehenden Hochzeit betraf? Oder jagte wirklich etwas an diesen beiden kopflosen Leichen am Universitätssee dem Dunklen eine Heidenangst ein und hatte ihn aus mir vertrieben?
    Ich wusste es nicht – und da Ritas Bemühungen, mich zu trösten, eine aktivere Wendung genommen hatten, sah es auch nicht so aus, als ob ich in näherer Zukunft mehr in Erfahrung bringen würde.
    »Komm her, Baby«, wisperte Rita.
    Und letzten Endes gibt es in einem Doppelbett ja wirklich nicht genug Platz, um sich zu verstecken, nicht wahr?
     
    Der nächste Morgen brachte eine Deborah, die besessen davon war, die Köpfe der beiden Uni-Leichen zu finden. Irgendwie war an die Presse durchgesickert, dass das Department an einem Paar Schädel interessiert war, die sich davongemacht hatten. Das hier war Miami, und ich war tatsächlich davon ausgegangen, dass ein verschwundener Kopf weniger mediale Aufmerksamkeit erregen würde als ein Verkehrsstau auf der I-95, aber die Tatsache, dass es zwei waren und anscheinend jungen Frauen gehörten, erzeugte einen ziemlichen Wirbel. Captain Matthews war ein Mann, der um den Wert einer Erwähnung in den Medien wusste, aber selbst er war von dem Ton grämlicher Hysterie, der der Story anhaftete, nicht besonders angetan.
    Und so wurde der Druck von oben auf uns alle immer stärker; vom Captain auf Deborah, die keine Zeit verlor, ihn an den Rest von uns weiterzureichen. Vince Masuoka war davon überzeugt, dass er Deborah den Schlüssel zu dieser Angelegenheit verschaffen konnte, indem er herausfand, welche bizarre religiöse Sekte dafür verantwortlich war. Das verführte ihn dazu, am nächsten Morgen seinen Kopf durch meine Tür zu stecken, mir ohne jede Vorwarnung sein schönstes künstliches Lächeln zu schenken und nachdrücklich und entschieden zu bemerken: »Candomblé.«
    »Schäm dich!«, rügte ich. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für solche Wörter.«
    »Ha«, machte er, sein furchtbares künstliches Lachen. »Aber er ist es, ich bin ganz sicher. Der Candomblé ist wie die Santería, nur brasilianisch.«
    »Vince, ich habe keinen Grund, das zu bezweifeln. Meine Frage lautet: ›Worüber, zum Teufel, redest du?‹«
    Irgendwie hüpfend trat er zwei Schritte in den Raum, als versuche sein Körper abzuheben und er könne ihn nur mit Mühe daran hindern. »In einigen derer Rituale spielen Tierköpfe eine Rolle«, erklärte er. »Das steht im Internet.«
    »Ehrlich«, sagte ich. »Steht im Internet auch, dass diese brasilianische Sache Menschen grillt, deren Köpfe abhackt und sie durch getöpferte Stierschädel ersetzt?«
    Vince welkte dahin, doch nur ein wenig. »Nein«, gab er zu, dann zog er hoffnungsvoll die Brauen hoch. »Aber sie verwenden Tiere.«
    »Und wie verwenden sie die, Vince?«
    »Na ja«, erwiderte er und ließ seinen Blick durch mein kleines Büro schweifen, vermutlich auf der Suche nach einem anderen Gesprächsthema. »Gelegentlich opfern sie einen Teil den Göttern, weißt du, und den Rest essen sie selbst.«
    »Vince«, erkundigte ich mich, »willst du damit andeuten, dass jemand die verschwundenen Köpfe gegessen hat?«
    »Nein«, antwortete er, plötzlich verdrossen, fast wie Cody und Astor. »Aber es könnte doch sein.«
    »Ziemlich knusprig, oder?«
    »Schon gut«, sagte er, jetzt endgültig eingeschnappt. »Ich versuche ja nur zu helfen.« Und stapfte aus dem Zimmer, ohne das dünnste künstliche Lächeln im Gesicht.
    Doch das Chaos hatte eben erst begonnen. Wie mein ungebetener Ausflug ins Traumland angedeutet hatte, stand ich auch ohne die Zugabe einer tobenden Schwester ausreichend unter Druck. Aber nur wenige Minuten später wurde meine kleine Oase des Friedens erneut überrannt, diesmal von Deborah, die in mein Büro stürmte, als sei ein Schwarm Killerbienen hinter ihr her.
    »Komm mit«, knurrte sie mich an.
    »Komm mit wohin?«, fragte ich, eine ziemlich vernünftige Frage, wie ich fand, doch hätte man meinen können, ich hätte sie aufgefordert, sich den Kopf zu rasieren und den Schädel blau anzumalen.
    »Setz deinen Hintern in Bewegung und komm!«, fauchte sie, und so erhob ich mich und folgte ihr hinunter zum Parkplatz und in ihr Auto.
    »Ich schwöre bei Gott«, schäumte sie, während sie ihren Wagen durch den Verkehr trieb, »so stinkwütend habe ich Matthews noch nie erlebt. Und jetzt ist es meine Schuld!« Zur Betonung drückte sie auf die Hupe und scherte vor einem

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