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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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vorgestellt hatte. Ich konnte nicht hoffen, jemals einen so guten Auftritt wie diesen hinzulegen – immerhin tat Harry Dinge, weil er
Gefühle
hatte, und das würde ich nie erleben –, aber ich konnte seinem Beispiel folgen und Cody und Astor dazu bringen, sich unterzuordnen. Ich würde ein Risiko eingehen, genau wie Harry es getan hatte.
    Sie würden mir folgen oder nicht.

[home]
    16
    S ie folgten.
    Das Museum war von neugierigen Bürgern auf der Suche nach Wissen überfüllt – oder nach einer Toilette. Die meisten waren zwischen zwei und zehn Jahre alt, auf ungefähr sieben Kinder kam ein Erwachsener. Sie schwirrten wie ein großer bunter Papageienschwarm kreuz und quer durch die Ausstellungsräume und gaben dabei laut zwitschernde Geräusche von sich, die trotz der Tatsache, dass sie das in mindestens drei Sprachen taten, stets gleich klangen. Die internationale Sprache der Kinder.
    Cody und Astor schienen von der Menge leicht eingeschüchtert und blieben dicht bei mir. Das war ein angenehmer Kontrast zu dem Geist dexterloser Abenteuer, der sie sonst zu beherrschen schien, und ich versuchte, das Beste daraus zu machen, indem ich sie direkt zu den Piranhas steuerte.
    »Wie sehen sie aus?«, fragte ich.
    »Sehr böse«, antwortete Cody leise, während er unverwandt auf die vielen Zähne starrte, die die Fische zur Schau stellten.
    »Das sind Piranhas«, verkündete Astor. »Die können eine ganze Kuh fressen.«
    »Angenommen, ihr wärt schwimmen und würdet Piranhas sehen, was würdet ihr tun?«, fragte ich weiter.
    »Sie töten«, sagte Cody.
    »Das sind zu viele«, meinte Astor. »Man sollte wegrennen und nicht in ihre Nähe kommen.«
    »Also würdet ihr jedes Mal, wenn ihr diesen hässlichen Fischen begegnet, entweder weglaufen oder sie töten?«, sagte ich. Sie nickten. »Falls die Fische wirklich schlau wären, so wie Menschen, was würden sie tun?«
    »Sich tarnen«, kicherte Astor.
    »Richtig«, lobte ich, und selbst Cody lächelte. »Was für eine Tarnung würdet ihr empfehlen? Perücke und Bart?«
    »Dex-ter«, stöhnte Astor. »Das sind Fische. Fische haben keine Bärte.«
    »Oh«, sagte ich. »Sie sollten also weiter wie Fische aussehen?«
    »Natürlich«, erwiderte sie, als wäre ich zu dumm, schwierige Wörter zu kapieren.
    »Was für Fische?«, hakte ich nach. »Große, starke? Wie Haie?«
    »Normale«, sagte Cody. Seine Schwester sah ihn kurz an und nickte dann.
    »Solche, die es in der Gegend häufig gibt«, sagte sie. »Ein Fisch, vor dem das, was sie fressen wollen, keine Angst hat.«
    »Aha«, sagte ich.
    Schweigend betrachteten die beiden einen Augenblick lang den Fisch. Cody begriff als Erster. Er runzelte die Stirn und sah mich an. Ich lächelte ermutigend. Er flüsterte Astor etwas zu, die verblüfft wirkte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und hielt dann inne.
    »Oh«, machte sie.
    »Ja«, bestätigte ich. »Oh.«
    Sie blickte zu Cody, der erneut von dem Piranha aufsah. Wieder sagten sie kein einziges Wort, dennoch war es ein vollständiges Gespräch. Ich ließ sie in Ruhe, bis sie zu mir aufschauten. »Was können wir von dem Piranha lernen?«, fragte ich.
    »Sieh nicht bösartig aus«, sagte Cody.
    »Sieh aus, als wärst du normal«, antwortete Astor widerwillig. »Aber Dexter, Fische sind keine Leute.«
    »Stimmt genau«, sagte ich. »Denn Menschen überleben, weil sie Dinge erkennen, die gefährlich aussehen. Und Fische werden gefangen. Das wollen wir nicht.« Sie blickten feierlich mich an, dann wieder den Fisch. »Was haben wir heute also noch gelernt?«, fragte ich nach kurzer Zeit.
    »Lass dich nicht erwischen«, sagte Astor.
    Ich seufzte. Wenigstens war es ein Anfang, doch lag noch eine Menge Arbeit vor mir. »Kommt mit«, sagte ich. »Schauen wir uns ein paar andere Sachen an.«
    Ich kannte mich in dem Museum nicht besonders gut aus, vielleicht, weil ich bis vor kurzem keine Kinder zum Hineinschleifen gehabt hatte. Deshalb musste ich improvisieren, während ich nach Dingen Ausschau hielt, die sie zum Denken und Lernen anregten. Ich gebe zu, dass es sich bei den Piranhas um einen reinen Glückfall gehandelt hatte – sie waren mir einfach ins Auge gesprungen, und mein gigantisches Hirn hatte die korrekte Lektion dazu beigesteuert. Der nächste glückliche Zufall ließ auf sich warten, und so verging eine halbe Stunde, in der wir uns grimmig durch die Menge der Kinder und ihrer grausigen Eltern schoben, ehe wir auf die Löwen stießen.
    Wieder einmal erwies sich die

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