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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Beleuchtung, dessen Sturmläden geschlossen waren, ein sehr gutes Zeichen, dass niemand zu Hause war. Ich schlich durch den dunklen Garten zu der hohen Hecke, die es von Starzaks Haus trennte. Ich schlüpfte durch eine Lücke zwischen den Büschen, ließ die Maske über mein Gesicht gleiten, streifte die Handschuhe über und wartete, während meine Augen und Ohren sich anpassten. Und während ich das tat, fiel mir plötzlich auf, wie lächerlich ich wirken musste, falls jemand mich sah. Darüber hatte ich mir nie zuvor Gedanken gemacht; der Radar des Passagiers ist ausgezeichnet und warnt mich stets vor unerwünschten Blicken. Doch jetzt, ohne jede innere Unterstützung, kam ich mir nackt vor. Das Gefühl spülte über mich hinweg und hatte ein zweites im Gefolge: reine, hilflose Dummheit.
    Was tat ich hier? Ich hatte nahezu jede Regel gebrochen, nach der ich bis jetzt gelebt hatte, indem ich spontan hierhergekommen war, ohne meine üblichen sorgfältigen Vorbereitungen, ohne jeden echten Beweis und ohne den Passagier. Es war Wahnsinn. Ich bettelte geradezu darum, gefasst, eingesperrt oder von Starzak in kleine Stücke gehackt zu werden.
    Ich schloss die Augen und lauschte den neuen Emotionen, die in mir schwappten. Gefühle – ein echt menschliches Vergnügen. Als Nächstes würde ich einem Kegelverein beitreten, einen Chatroom suchen und im Netz über New-Age-Selbsthilfe und alternative Kräutermedizin gegen Hämorrhoiden plaudern … Willkommen bei der menschlichen Rasse, Dexter, der unendlich sinn- und ziellosen menschlichen Rasse. Wir hoffen, du genießt deinen kurzen, schmerzhaften Aufenthalt.
    Ich schlug die Augen auf. Ich konnte aufgeben, die Tatsache akzeptieren, dass Dexters Tage gezählt waren. Oder ich konnte trotz der Risiken weitermachen und das Ding wiederaufleben lassen, das ich immer gewesen war. Handeln, um entweder den Passagier zurückzuholen oder die ersten Schritte auf dem Pfad des Lebens ohne ihn zu gehen. Falls ich bei Starzak keine absolute Gewissheit hatte, so war er doch nah daran, und ich war hier, und es war ein Notfall.
    Immerhin hatte ich die Wahl, etwas, das sich mir in letzter Zeit nicht allzu oft geboten hatte. Ich holte tief Luft und glitt so leise ich konnte in Starzaks Garten.
    Ich hielt mich in den Schatten und gelangte zu einer Garagentür. Sie war verschlossen – doch Dexter lacht über Schlösser, und ich brauchte keine Unterstützung vom Dunklen Passagier, um sie zu öffnen und in die dunkle Garage zu treten, während ich die Tür leise hinter mir schloss. An der gegenüberliegenden Wand standen ein Fahrrad und eine Werkbank mit einem sehr ordentlichen Satz aufgehängter Werkzeuge. Ich prägte mir das ein und durchquerte die Garage in Richtung der Tür, die ins Haus führte. Dort verharrte ich einen langen Moment mit dem Ohr an der Tür.
    Über das leise Summen der Klimaanlage hörte ich einen Fernseher und sonst nichts. Ich lauschte ein wenig länger, um mich zu vergewissern, dann drückte ich vorsichtig die Tür auf. Sie war nicht verschlossen und öffnete sich einfach und lautlos, und ich war in Starzaks Haus, so still und dunkel wie einer der Schatten.
    Ich glitt den Flur hinunter in Richtung des violetten Scheins des Fernsehers, presste mich an die Wand, mir schmerzlich bewusst, dass ich brillant von hinten ausgeleuchtet wurde, falls er sich aus irgendeinem Grund hinter mir befand. Doch als ich in Sichtweite des Fernsehers gelangte, sah ich einen Kopf über der Rückenlehne des Sofas und wusste, ich hatte ihn.
    Ich hielt die Schlinge aus reißfester Angelschnur fest in der Hand und trat näher. Eine Werbeunterbrechung, der Kopf rührte sich leicht. Ich erstarrte, doch er drehte den Kopf wieder zur Mitte, und ich war quer durch das Zimmer und über ihm, meine Schlinge glitt über seinen Hals und zog sich direkt über seinem Adamsapfel zusammen.
    Einen Augenblick schlug er in erfreulicher Weise um sich, was die Schlinge nur umso fester zuzog. Ich sah zu, wie er hinplumpste und an seine Kehle griff, und obwohl es sehr unterhaltsam war, spürte ich nicht dasselbe kalte, wilde Entzücken wie sonst in diesen Momenten. Doch war es immerhin noch besser als der Werbespot, und ich gestattete ihm weiterzumachen, bis sein Gesicht lila anzulaufen begann und das Umsichschlagen einem hilflosen Zappeln wich.
    »Ruhig, und ganz leise«, kommandierte ich. »Dann lasse ich dich atmen.«
    Man muss ihm zugutehalten, dass er sofort begriff und sein hilfloses Zappeln einstellte. Ich

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