Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
und noch einige Minuten länger, bis ich entschieden hatte, was ich diesbezüglich unternehmen wollte.
    Der Name des Fahrzeughalters war wenig genug für den Anfang – fast nichts, denn die Chancen standen gut, dass der Wagen gestohlen worden war. Aber dies anzunehmen und nichts zu unternehmen war schlimmer, als es zu versuchen und zu keinem Ergebnis zu gelangen, deshalb begab ich mich wieder einmal an meinen Computer.
    Als Erstes der Standardkram: der Fahrzeugschein, der eine Adresse jenseits der Old Cutler Road angab, in einer etwas teureren Gegend. Als Nächstes die Polizeiakten: Verkehrskontrollen, offene Haftbefehle, Unterhaltszahlungen. Nichts. Mr Starzak war offenbar ein vorbildlicher Bürger, der absolut keinen Kontakt zum langen Arm des Gesetzes hatte.
    Nun gut; dann der Name selbst: »Darius Starzak«. Darius war kein gewöhnlicher Name – zumindest nicht in den Vereinigten Staaten. Ich prüfte die Einwanderungsbehörde. Und überraschenderweise landete ich sofort einen Treffer.
    Zunächst einmal hieß es Dr. Starzak, nicht Mister. Er hatte an der Universität Heidelberg den Doktorgrad in Religionsphilosophie erworben und bis vor wenigen Jahren eine Professur an der Universität von Krakau innegehabt. Ein wenig weiteres Forschen ergab, dass er wegen einer Art Skandal entlassen worden war. Polnisch zählt nicht gerade zu meinen stärkeren Sprachen, obgleich ich
kielbasa
sagen kann, wenn ich in einem Deli Mittagessen bestelle. Doch wenn meine Übersetzung nicht völlig danebenlag, war Starzak wegen der Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung gefeuert worden.
    Die Akte erwähnte nicht, warum ein europäischer Gelehrter, der seine Stelle aus einem so obskuren Grund verloren hatte, mich verfolgen und dann seinen Wagen in einen Kanal fahren sollte. Dieses Versäumnis schien signifikant. Nichtsdestotrotz druckte ich Starzaks Foto aus seiner Einwanderungsakte aus. Blinzelnd betrachtete ich das Bild, versuchte es mir halb verdeckt von einer riesigen Sonnenbrille vorzustellen, wie ich es im Außenspiegel des Avalon gesehen hatte. Er könnte es gewesen sein. Es konnte auch Elvis gewesen sein. Und soweit ich wusste, hatte Elvis ebenso viel Grund mich zu verfolgen wie Starzak.
    Ich grub ein wenig tiefer. Auch für einen Streber der Spurensicherung ist es nicht eben einfach, sich ohne offiziellen Anlass bei Interpol einzuklinken, selbst wenn er charmant und clever ist. Doch nachdem ich ein paar Minuten meine Online-Version von Völkerball gespielt hatte, gelangte ich in das Zentralarchiv, und jetzt wurde es interessant.
    Dr. Darius stand in vier Ländern auf einer speziellen Überwachungsliste, doch nicht in den Staaten, was erklärte, warum er hier war. Obwohl man ihm nichts nachweisen konnte, wurde er verdächtigt, mehr über den Handel mit Kriegswaisen aus Bosnien zu wissen, als er zugab. Zudem wurde in der Akte beiläufig erwähnt, dass es selbstverständlich unmöglich ist, den Verbleib solcher Kinder nachzuweisen. In der offiziellen Sprache von polizeilichen Dokumenten bedeutete das, dass jemand glaubte, er würde sie umbringen.
    Ich hätte von eiskaltem Entzücken erfüllt sein müssen, als ich das las. Einem bösartigen Aufblitzen scharfer Erwartung – aber ich spürte nichts, nicht das leiseste Echo des kleinsten Funken. Stattdessen spürte ich einen kurzen Widerhall des menschlichen Zorns, der mich an diesem Morgen erfüllt hatte, als Starzak mich verfolgte. Es war kein adäquater Ersatz für die Woge dunkler, wilder Gewissheit, die der Passagier verströmte und die ich gewohnt gewesen war, aber es war wenigstens etwas.
    Starzak hatte Kindern schlimme Dinge angetan, und er – oder zumindest jemand, der seinen Wagen benutzte – hatte dasselbe mit mir versucht. Nun gut. Bis jetzt war ich wie ein Tischtennisball hin und her geschlagen worden und hatte es in meinem Vakuum elender Ergebenheit passiv und ohne Aufbegehren hingenommen, weil mein Dunkler Passagier mich verlassen hatte. Doch das hier war etwas, das ich verstehen und, besser noch, auf das ich reagieren konnte.
    Die Interpol-Akte verriet mir, dass Starzak ein schlechter Mensch war, exakt die Art Mensch, die ich bei der Beschäftigung mit meinem kleinen Hobby stets ausfindig zu machen bemüht bin. Jemand hatte mich mit seinem Wagen verfolgt und dann die extreme Maßnahme ergriffen, den Wagen in einem Kanal zu versenken, um zu flüchten. Es bestand die Möglichkeit, dass jemand das Auto gestohlen hatte und Starzak vollkommen unschuldig war.

Weitere Kostenlose Bücher