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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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du nicht mit dem Boot raus?«, schlug sie vor. »Das hilft dir doch immer, dich zu entspannen.« Sie kam zu mir herüber und legte mir mit aggressiver Fürsorge die Hand auf die Stirn. Cody und Astor schauten mit Mienen auf, in denen die Hoffnung auf einen Bootsausflug geschrieben stand. Plötzlich kam es mir vor, als steckte ich in Treibsand.
    Ich stand auf. Mir war alles zu viel. Ich konnte nicht einmal meine eigenen Erwartungen erfüllen, und die Aufforderung, auf die ihren einzugehen, war geradezu erstickend. Ob es an meinem Versagen bei Starzak, der mich verfolgenden Musik oder daran lag, dass mich das Familienleben aufsaugte, konnte ich nicht sagen. Vielleicht war es eine Kombination von allem, deren äußerst gegensätzliche Kräfte mich auseinanderrissen und die Stücke in einen Whirlpool klingelnder Normalität sogen, die mich fast zum Schreien brachte und mich zugleich unfähig, auch nur zu wimmern, zurückließen. Was immer es war, ich musste hier raus.
    »Ich muss noch etwas erledigen«, sagte ich, und sie blickten mich verletzt und überrascht an.
    »Oh«, sagte Rita. »Was denn erledigen?«
    »Hochzeitskram«, platzte ich heraus, ohne jede Vorstellung davon, was ich als Nächstes sagen sollte, in blindem Vertrauen auf den Impuls. Und zu meinem Glück ging zumindest eine Sache nicht schief, denn ich erinnerte mich an mein Gespräch mit dem errötenden, kriecherischen Vince Masuoka. »Ich muss mit dem Caterer sprechen.«
    Rita strahlte. »Du triffst dich mit Manny Borque? Oh … Das ist wirklich …«
    »Ja, ist es«, versicherte ich ihr. »Ich komme später wieder.« Und so winkte ich um Viertel vor zehn, einer für einen Samstagmorgen vernünftigen Uhrzeit, dem dreckigen Geschirr und der Häuslichkeit Lebewohl und stieg in meinen Wagen. Auf den Straßen herrschte unnatürliche Ruhe, und auf meiner Fahrt nach South Beach erlebte ich weder Brutalität noch Verbrechen, was ungefähr so selten war wie Schnee im Fontainebleau [2] .
    So wie die Dinge in letzter Zeit für mich gelaufen waren, behielt ich den Rückspiegel im Auge. Einen kurzen Moment dachte ich, ein kleines, rotes japanisches Auto würde mir folgen, doch als ich abbremste, überholte es. Der Verkehr blieb dünn, und es war erst Viertel nach zehn, als ich mein Auto parkte, im Aufzug nach oben fuhr und an Manny Borques Tür klopfte.
    Darauf folgte eine lange Spanne tiefen Schweigens, und ich klopfte erneut, diesmal ein wenig enthusiastischer. Ich dachte gerade darüber nach, einen wahren Trommelwirbel auf der Tür zu entfalten, als sie aufschwang und ein äußerst verschlafener und fast nackter Manny Borque mich anblinzelte. »Jesu Titten«, krächzte er. »Wie spät ist es?«
    Vielleicht war er nicht richtig wach, oder vielleicht glaubte er auch, es wäre so komisch, dass man es ruhig zweimal sagen konnte, doch auf jeden Fall wiederholte er sich: »Jesu Titten.«
    »Darf ich reinkommen?«, fragte ich höflich, und er blinzelte noch ein paarmal und zog dann die Tür ganz auf.
    »Wehe, es ist nicht dringend«, sagte er, und ich folgte ihm hinein, vorbei an dem grässlichen Kunstdings in seinem Foyer zu seinem Hochsitz am Fenster. Er hopste auf seinen Hocker, und ich nahm ihm gegenüber Platz.
    »Ich muss mit Ihnen über meine Hochzeit sprechen«, begann ich. Er schüttelte äußerst mürrisch den Kopf und kreischte: »Franky!« Keine Antwort. Er stützte sich auf eine winzige Hand und trommelte mit der anderen auf den Tisch. »Die kleine Nutte sollte lieber – Gottverdammt,
Franky
«, brüllte er in einer Art äußerst hohem Jaulen.
    Einen Moment später vernahm man aus dem Hintergrund des Appartements ein Schlurfen, dann trat ein junger Mann hervor, der im Herbeieilen den Gürtel seines Bademantels schloss und sein glattes braunes Haar nach hinten strich, als er vor Manny stehen blieb. »Hi«, grüßte er. »Ich meine, ihr wisst schon, guten Morgen.«
    »Kaffee, rasch«, kommandierte Manny, ohne ihn auch nur anzusehen.
    »Hm«, sagte Franky. »Sicher. Klar.« Er zögerte eine halbe Sekunde, gerade lange genug, um Manny Zeit zu geben, seine winzige Faust zu schwingen und zu kreischen: »Sofort, verdammt noch mal!« Franky schluckte und verkroch sich in die Küche, und Manny stützte erneut seine vollen fünfundachtzig Pfund aufragender Verdrießlichkeit auf seine Faust und schloss mit einem Seufzer die Augen, als peinigten ihn zahllose Horden wahrhaft idiotischer Dämonen.
    Da es offensichtlich schien, dass ohne Kaffee kein Gespräch

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