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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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verheiratet.«
    »Ist es nicht ein wenig unmoralisch, Sex mit einer Studentin zu haben?«, fragte ich.
    »Exstudentin«, schnappte er. »Ich habe mich erst nach dem Seminar im letzten Semester mit ihr getroffen. Es ist nicht verboten, sich mit Exstudentinnen zu treffen. Insbesondere, wenn sie sich einem an den Hals werfen.«
    »Netter Fang«, sagte ich.
    »Haben Sie Professor Halperns Publikation sabotiert?«, fragte Deborah.
    Wilkins sah erneut zu Deborah und lächelte wieder. Es war wunderbar, jemandem, der fast so gut war wie ich, beim so raschen Umschalten der Emotionen zuzuschauen. »Detective, können Sie hier ein Muster erkennen …?«, fragte er. »Hören Sie, Jerry Halpern ist brillant, aber … nicht krisenfest? Und jetzt, wo er so unter Druck steht, beschließt er, dass ich eine Ein-Mann-Verschwörung gegen ihn bilde.« Er zuckte die Achseln. »Ich glaube, so gut bin ich nicht. Zumindest nicht, was Verschwörungen angeht.«
    »Demnach glauben Sie, dass Halpern Tammy Connor und die anderen umgebracht hat«, sagte Deborah.
    »Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte er. »Aber, he, er ist der Psycho. Nicht ich.« Er trat einen Schritt auf die Tür zu und sah Deborah mit hochgezogener Braue an. »Und jetzt muss ich wirklich los, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Deborah reichte ihm eine Visitenkarte. »Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, Professor. Falls Ihnen irgendetwas einfällt, das uns weiterhelfen könnte, rufen Sie mich doch bitte an.«
    »Aber selbstverständlich«, erwiderte er mit einem Lächeln, das damals der Tod der Disco gewesen war, und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie brachte es fertig, nicht zurückzuzucken. »Ich finde es furchtbar, aber ich muss Sie wieder hinaus in den Regen schicken, doch …«
    Deborah glitt, sehr bereitwillig, wie ich feststellte, unter seiner Hand hindurch in Richtung Tür. Ich folgte ihr. Wilkins schob uns hinaus und durch das Tor und stieg dann in sein Auto, stieß rückwärts aus der Einfahrt und fuhr davon. Deborah stand im Regen und sah zu, wie er verschwand, womit sie meiner Ansicht nach bezwecken wollte, dass er nervös aus dem Auto sprang und ein Geständnis ablegte, doch angesichts der Wetterlage fand ich diesen Diensteifer recht übertrieben. Ich stieg in den Wagen und wartete auf sie.
    Nachdem der blaue Lexus verschwunden war, gesellte sich Deborah endlich zu mir. »Der Typ ist mir scheißunheimlich«, stellte sie fest.
    »Hältst du ihn für den Killer?« Es war ein komisches Gefühl für mich, nichts zu wissen und mich zu fragen, ob jemand anders hinter die Maske des Raubtiers gespäht hatte.
    Gereizt schüttelte sie den Kopf. Ihre Haare versprühten Wasser über mich. »Ich halte ihn für einen beschissenen Perversen«, sagte sie. »Was meinst du?«
    »Ich bin ziemlich sicher, dass du recht hast.«
    »Es hat ihm nichts ausgemacht, die Affäre mit Tammy Connor zuzugeben. Warum hat er dann gelogen und behauptet, dass sie im
letzten
Semester in seinem Seminar war?«
    »Reflex?«, erwiderte ich. »Weil er auf eine Festanstellung hofft?«
    Sie trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad, dann beugte sie sich entschlossen vor und ließ den Motor an. »Ich werde ihn beschatten lassen«, sagte sie.

[home]
    23
    A ls ich schließlich im Büro eintraf, wartete ein Bericht auf meinem Schreibtisch, und mir wurde bewusst, dass heute trotz allem von mir erwartet wurde, eine produktive Drohne zu sein. In den vergangenen Stunden hatte sich so viel ereignet. Mir fiel es schwer, mich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass der größte Teil des Arbeitstages noch mit langen scharfen Zähnen vor mir lauerte, deshalb ging ich mir erst einmal eine Tasse Kaffee holen, ehe ich mich in die Knechtschaft ergab. Halb hatte ich gehofft, jemand hätte Doughnuts oder Kekse mitgebracht, doch das war selbstverständlich ein alberner Wunsch. Es gab nichts außer anderthalb Tassen angebrannten, sehr dunklen Kaffee. Ich goss mir etwas ein – den Rest ließ ich für einen wahrhaft Verzweifelten übrig – und schlurfte zurück zu meinem Schreibtisch.
    Ich schlug den Bericht auf und begann zu lesen. Anscheinend hatte jemand das Fahrzeug eines gewissen Mr Darius Starzak in einen Kanal gefahren und war dann vom Tatort geflüchtet. Mr Starzak war bis jetzt für Fragen nicht erreichbar gewesen. Es dauerte einige Augenblicke, ehe ich nach einigem Zwinkern und Schlürfen des abscheulichen Kaffees begriff, dass es sich um einen Bericht über mein Erlebnis an diesem Morgen handelte,

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