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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Am liebsten hätte ich wirklich etwas gesagt wie: »Sie haben nicht zum letzten Mal von mir gehört«, doch auch das schien nicht sehr sinnvoll. Deshalb lächelte ich ihn einfach an, sagte »Nun denn«, und verließ das Appartement. Als die Tür hinter mir zufiel, konnte ich ihn bereits nach Franky quieken hören. »Um Himmels willen, beweg deinen dicken Arsch und putz die Scheiße von meinem verdammten Boden.«
    Auf dem Weg zum Fahrstuhl schien ein eisiger Finger über meinen Nacken zu streichen, und nur einen Moment lang spürte ich eine schwache Regung, als hätte der Dunkle Passagier einen Zeh ins kalte Wasser gesteckt und wäre fortgelaufen, als er feststellte, dass es zu kalt war. Ich blieb abrupt stehen und sah mich im Flur gründlich um.
    Nichts. Unten am anderen Ende fummelte ein Mann vor seiner Tür mit der Zeitung herum. Abgesehen davon war der Flur leer. Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen.
Was?,
fragte ich. Doch ich erhielt keine Antwort. Ich war noch immer allein. Und falls mich nicht jemand durch den Spion in seiner Tür wütend anfunkelte, war es falscher Alarm gewesen. Oder vermutlich eher Wunschdenken.
    Ich stieg in den Aufzug und fuhr nach unten.
     
    Als sich die Aufzugtüren schlossen, richtete sich der Beschatter auf, noch immer die Zeitung in der Hand, die er von der Fußmatte aufgehoben hatte. Eine gute Tarnung, sie mochte noch einmal funktionieren. Er starrte den Flur hinunter und fragte sich, was in dieser anderen Wohnung so interessant war, aber eigentlich kam es nicht darauf an. Er würde es herausfinden. Was immer der Andere getan hatte, er würde es herausfinden.
    Er zählte langsam bis zehn, dann schlenderte er den Flur hinunter zu dem Appartement, das der Andere besucht hatte. Es würde nur einen Moment dauern, festzustellen, was er hier gewollt hatte. Und dann …
    Der Beschatter wusste nicht genau, was im Verstand des Anderen momentan vorging, doch so oder so, es geschah nicht schnell genug. Es war Zeit für einen richtigen Stoß, etwas, das den Anderen aus seiner Passivität riss. Er verspürte den seltenen Impuls zu spielen, der in der dunklen Wolke der Macht aufstieg, und vernahm das Rauschen dunkler Schwingen in seinem Inneren.

[home]
    25
    B ei meinem lebenslangen Erforschen menschlicher Wesen habe ich festgestellt, dass sie, wie angestrengt auch immer sie danach suchen, keine Möglichkeit entdeckt haben, den Montagmorgen abzuschaffen. Und selbstverständlich bemühen sie sich, denn Montagmorgen kommt immer, und all die Drohnen müssen zurück in ihr eintöniges Arbeitsleben voller bedeutungsloser Mühen und Plagen krabbeln.
    Dieser Gedanke heiterte mich stets auf, und weil ich gern Frohsinn verbreite, wo immer ich bin, trug ich mein Scherflein dazu bei, den Schlag des unvermeidlichen Montagmorgens abzumildern, indem ich mit einer Schachtel Doughnuts bei der Arbeit eintraf, die allesamt in einer, ich kann es nicht anders nennen, miesepetrigen Ekstase verschwunden waren, noch ehe ich meinen Schreibtisch erreicht hatte. Ich bezweifelte ernsthaft, dass jemand einen besseren Grund als ich hatte, schlecht drauf zu sein, doch darauf wäre man bei dem Anblick, wie sie über die Doughnuts herfielen und mich angrunzten, nie gekommen.
    Vince Masuoka schien das allgemeine Gefühl gedämpfter Pein zu teilen. Er stolperte mit erschrockener und verblüffter Miene in mein Büro, ein Ausdruck, der auf etwas sehr Bewegendes zurückzuführen sein musste, denn er wirkte beinahe echt. »Jesus, Dexter«, stöhnte er. »Oh, Jesus, Dexter.«
    »Ich habe versucht, einen für dich aufzuheben«, sagte ich, da ich annahm, dass diese Qual nur auf die Kalamität einer leeren Doughnut-Schachtel beruhen konnte. Doch er schüttelte den Kopf.
    »Oh, Jesus, ich kann es nicht fassen. Er ist tot!«
    »Ich bin sicher, dass es nicht an den Doughnuts lag«, sagte ich.
    »Mein Gott, und du wolltest zu ihm! Bist du da gewesen?«
    In jedem Gespräch kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem zumindest eine der involvierten Personen wissen muss, worüber gesprochen wird, und ich beschloss, dass dieser Punkt nun erreicht war.
    »Vince«, sagte ich. »Ich möchte, dass du tief Luft holst, noch einmal ganz von vorn beginnst und so tust, als würden du und ich dieselbe Sprache sprechen.«
    Er starrte mich an, als wäre er ein Frosch und ich ein Reiher. »Scheiße. Du weißt es noch gar nicht, oder? Heilige Scheiße.«
    »Mit deiner Ausdrucksweise geht es langsam den Bach

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