Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
stattfinden würde, sah ich aus dem Fenster und genoss die Aussicht. Am Horizont schwammen drei große Frachtschiffe, von denen Rauchwolken aufstiegen, und näher an der Küste ein Gewimmel von Freizeitbooten, die von Millionärsspielzeugen auf der Fahrt zu den Bahamas bis hinunter zu Windsurfern in Strandnähe reichten. Ein leuchtend gelber Kajak trieb auf dem Meer, offensichtlich, um die Frachter zu treffen. Die Sonne schien, die Möwen suchten schwebend nach Abfällen, und ich wartete darauf, dass Manny seine Transfusion verabreicht wurde.
    Aus der Küche ertönte ein Krachen und Frankys gedämpfter Aufschrei: »Oh, Scheiße!« Manny versuchte die Augen noch fester zu schließen, als könnte er so der Agonie entgehen, die die geballte Dummheit um ihn herum verursachte. Und nur wenige Minuten später erschien Franky mit dem Kaffeeservice, einer silbernen, fast konturenlosen Kanne und drei gedrungenen Keramikbechern, die auf einem wie eine Malerpalette geformten durchsichtigen Tablett thronten.
    Mit zitternden Händen plazierte Franky einen der Becher vor Manny und schenkte ein. Manny trank einen winzigen Schluck, seufzte ohne jedes Anzeichen von Erleichterung schwer auf und öffnete schließlich die Augen. »In Ordnung«, sagte er. Und an Franky gewandt fügte er hinzu: »Hau ab und räum deine widerliche Sauerei auf, und wenn ich später auf Glasscherben trete, dann, ich schwöre bei
Gott
, reiß ich dir die Eier ab.« Franky taumelte davon, und Manny trank einen weiteren winzigen Schluck, ehe er seinen verschlafenen Blick auf mich richtete. »Sie wollen über Ihre Hochzeit reden«, sagte er, als könnte er es nicht wirklich glauben.
    »So ist es«, bestätigte ich, und er schüttelte den Kopf.
    »Ein hübscher Mann wie Sie. Warum um alles in der
Welt
wollen Sie heiraten?«
    »Wegen der Steuern«, sagte ich. »Können wir über das Menü sprechen?«
    »Bei Tagesanbruch, an einem Samstag? Nein«, erwiderte er. »Es ist ein grauenhaftes, sinnloses, primitives Ritual«, und ich nahm an, dass er doch wohl eher über die Hochzeit als über das Menü sprach, obgleich man sich bei Manny nicht wirklich sicher sein durfte. »Ich bin tief erschüttert, dass jemand das freiwillig über sich ergehen lässt. Doch wenigstens«, er wedelte herablassend mit der Hand, »eröffnet es mir die Chance zu Experimenten.«
    »Ich frage mich, ob es wohl möglich wäre, ein wenig billiger zu experimentieren.«
    »Möglich schon«, antwortete er, und zum ersten Mal zeigte er seine Zähne, was man jedoch nur als Lächeln interpretieren konnte, wenn man der Ansicht zuneigt, dass Tierquälerei Spaß macht. »Aber es wird nicht geschehen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich bereits entschieden habe, was ich machen möchte, und Sie absolut nichts tun können, um mich davon abzuhalten.«
    Um vollkommen ehrlich zu sein, gab es mehrere Dinge, die ich tun konnte, um ihn davon abzuhalten, aber keins davon – wie erfreulich auch immer – war nach Harrys strengen Regeln gestattet, und deshalb blieben sie mir verwehrt. »Ich nehme nicht an, dass sanfte Bitten Sie umstimmen könnten?«, fragte ich hoffnungsvoll.
    Er beäugte mich lüstern. »Wie sanft denn?«
    »Nun, ich wollte bitte sagen und ausgiebig lächeln«, antwortete ich.
    »Das reicht nicht«, rief er. »Bei weitem nicht.«
    »Vince sagte, Sie schätzen das Ganze auf fünfhundert Dollar pro Gedeck?«
    »Ich
schätze
nicht«, schnarrte er. »Und ich scheiße auf Ihre verdammte Pfennigfuchserei.«
    »Selbstverständlich«, sagte ich in dem Versuch, ihn ein wenig zu beruhigen. »Immerhin sind es nicht Ihre Pfennige.«
    »Ihre Freundin hat den beschissenen Vertrag unterschrieben«, knurrte er. »Ich kann Ihnen alles berechnen, wonach mir verdammt noch mal ist.«
    »Aber es muss doch etwas geben, was ich tun kann, um den Preis ein bisschen zu senken?«, sagte ich hoffnungsvoll.
    Seine mürrische Miene lockerte sich wieder zu seinem patentierten Lechzen. »Nicht auf einem Stuhl«, sagte er.
    »Was kann ich dann tun?«
    »Falls Sie damit meinen, was Sie tun können, damit ich meine Meinung ändere, gar nichts. Absolut nichts. Die Leute stehen rund um den Block Schlange, um mich anzuheuern – ich bin auf zwei Jahre im Voraus ausgebucht, und ich tue Ihnen einen Riesengefallen.« Sein Lechzen verbreiterte sich zu etwas beinahe Übernatürlichem. »Also machen Sie sich auf ein Wunder gefasst. Und auf eine saftige Rechnung.«
    Ich stand auf. Der kleine Gnom würde offensichtlich kein bisschen nachgeben,

Weitere Kostenlose Bücher